Proteste, Paraden, Pride Month: Der Monat Juni stand für viele Menschen im Zeichen des Regenbogens – LGBTQ-Aktivist*innen feierten ihre Diversität und standen für mehr Rechte, Akzeptanz und Repräsentation in der Gesellschaft ein. Sie schafften dabei Aufmerksamkeit für einen offenen, stolzen Umgang mit Geschlechts- und sexuellen Identitäten jenseits heteronormativer Gesellschaftsbilder. Mehr Repräsentation fordern soziale Bewegungen wie das Netzwerk Queer Media Society auch in der deutschen Buchbranche. Wie steht es um die Diversität im Literaturbetrieb?
Auf der Longlist des renommierten britischen Women’s Prize for Fiction stand im März der Roman "Detransition, Baby" der trans+ Autorin Torrey Peters. Nach der Nominierung erhob der Wild Woman Writing Club in einem offenen Brief an die Preisstifter transphobe Vorwürfe. Männliche Autoren für den einzigen großen Frauenliteraturpreis wählbar zu machen, feiere oder fördere nicht die von Frauen geschriebene Belletristik. Die Entscheidung der Jury zeige, dass es in Ordnung sei, männlichen Personen zu erlauben, sich Preise für Frauen zu eigen zu machen.
In kurzer Zeit solidarisierte sich die Literaturszene im Netz mit Torrey Peters. Auch die Buchpreis-Stiftung stellte sich hinter die Jury-Entscheidung. "Jeder, der gesetzlich als Frau definiert ist, kann von einem Verlag für den Preis vorgeschlagen werden. Das Wort 'Frau' ist gleichbedeutend mit einer Cis-Frau oder einer Transgender-Frau, die rechtlich als Frau definiert ist", hieß es im Statement. Geschadet hat es dem Buch nicht: Auch wenn es "Detransition, Baby" nicht auf die Shortlist des Preises schaffte, erreichte der Titel Platz 5 der UK-Bestsellerliste.
In Deutschland dagegen wurde im Mai der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz mit Transphobie-Vorwürfen konfrontiert, nachdem er die Preisvergabe des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises an Elisabeth Steinkellners "Papierklavier" gestoppt hatte. In der Geschichte hat die Protagonistin eine trans* Freundin – der Ständige Rat wies die Transphobie-Vorwürfe zurück.
Die Beispiele zeigen, dass sich Leser*innen und Öffentlichkeit für die Sichtbarkeit queerer Personen einsetzen. Auf dem deutschen Buchmarkt gibt es ebenso immer häufiger Literatur mit queeren Protagonist*innen sowie Verlage und Buchhandlungen, die sich auf diverse Programme und Sortimente spezialisieren. 2019 sorgte beispielsweise die Eröffnung der Buchhandlung She said in Berlin für ein großes Medienecho, und jüngst eröffnete mit Kohsie in Halle / Saale auch die erste Diversitätsbuchhandlung in Mitteldeutschland. Bei Erlkönig in Stuttgart und Eisenherz in Berlin wird bereits seit den 1970er und 1980er Jahren schwule und lesbische Literatur verkauft.