Presseschau zur Frankfurter Buchmesse

"Man muss nicht für jede Erkenntnis in den Zug nach Frankfurt steigen"

16. Oktober 2020
Redaktion Börsenblatt

Wie läuft die "Special Edition"?  Die Medien ziehen Bilanz. Von "weitgehend überflüssig" bis "großes Vergnügen sich durch diese Buchmesse zu zappen" reichen die Urteile. Die Frankfurter Buchmesse selbst ist mit der Resonanz auf das digitale Programm zufrieden, besonders was die Fachkonferenzen betrifft. Eine Medienschau.

Mehr Zuschauer bei den Fachprogrammen

Digital könne die Messe mehr Menschen in aller Welt erreichen. Das gelte vor allem für die Fachkonferenzen, heißt es von der Frankfurter Buchmesse (dpa, u.a. in der "Welt"). 800 Teilnehmer hätten sich laut Buchmesse zum Eröffnungspanel zugeschaltet, mehr als jemals physisch in Frankfurt gleichzeitig in einem Raum gesessen hätten. Die Teilnehmerzahlen der im Internet ausgerichteten Fachkonferenzen hätten teilweise weit über denen gelegen, die in der Vergangenheit bei vergleichbaren Tagungen vor Ort erreicht wurden. 

"Kommunikative Einbahnstraße"

SWR2-Literaturkritiker Carsten Otte konnte der digitalen Buchmesse wenig abgewinnen: Die Vielfalt der Themen sei ihm vertraut vorgekommen, das Problem sei "die kommunikative Einbahnstraße, das Fehlen von Gesprächen, die nicht medial vermittelt sind, die aber eine Messe erst ausmachen". Das aufs Digitale reduzierte Programm aber enthalte "vor allem, was in Radio- und Fernsehprogrammen, in bekannten Videoblogs, Podcasts und Online-Angeboten der Zeitungen bzw. Literaturhäuser ohnehin ausgestrahlt wird oder bereits gesendet wurde." Ottes Fazit: "Eine Messe im digitalen Format ist weitgehend überflüssig."

"Digitale Angebote werden zum festen Bestandteil künftiger Buchmessen"

Georg Giersberg blickt in der "FAZ" auf die Frankfurter Buchmesse 2021, die seiner Meinung nach keine Kopie der Buchmesse vor Corona sein werde. "Die Welt ist in diesen Monaten digitaler geworden", so Giersberg. Allein die hohe Reichweite rund um den Globus, die man mit einigen digitalen Angeboten geschafft habe, werde diese zu einem festen Bestandteil der künftigen Buchmessen machen. "Man wird sich aber überlegen müssen, welche tragfähigen Geschäftsmodelle man daraus entwickelt, die Umsatz und Ertrag generieren. Die Buchmesse 2020 war eine Messe des Probierens und Versuchs." Daraus müsse 2021 wieder eine wirtschaftlich tragfähige Veranstaltung werden.

"Man muss nicht für jede Erkenntnis in den Zug nach Frankfurt steigen"

Jürgen Kanold ("Lausitzer Rundschau") meint, es gehe weiter mit dem Lesen und man müsse nicht für jede Erkenntnis in den Zug nach Frankfurt steigen Die digitale Buchmesse vermittele etwa unter der Rubrik „Themenwelten“ aktuellen Lesestoff, wobei dies den volksfestartigen Trubel in den Hallen nicht ersetzen könne. Spannender findet Kanold die Online-Begegnungen mit den Autoren, das funktioniere gut, bei der ARD oder auf dem Blauen Sofa des ZDF. 

"Abschied von der Einheit von Zeit, Raum und Handlung"

"Das Ereignis findet nicht statt, vielmehr geht es darum, den Eindruck einer aufgeschobenen Normalität zu vermitteln", schreibt Harry Nutt in der "Berliner Zeitung". Es werde nicht mehr so werden, wie es einmal war, heiße es in den Reden. "Niemand möchte sich dabei ertappen lassen, bloß rückwärtsgewandt und sentimental zu sein." Was durch Corona beschleunigt werde, sei "der gesellschaftliche Abschied von jener nach Aristoteles benannten Einheit von Zeit, Raum und Handlung." Das Bedürfnis, nichts zu verpassen werde verdrängt von der aufgezwungenen Einsicht: "Es geht vielleicht auch ohne".

"Es kann auch besser werden"

"Es ist ein Vergnügen, sich durch diese Buchmesse zu zappen: inspirierend, unterhaltsam, informativ", urteilt die "Frankfurter Neue Presse" nach einem Messerundgang über die digitale Buchmesse. Es sei eine Messe der kurzen Wege und es sei viel los, aber man verpasse weniger und habe weniger Stress. "Natürlich: Es fehlen die unersetzlichen Begegnungen, der Austausch, das sinnliche Erleben, die direkte Kontroverse, das Abenteuer", so die Zeitung. Und noch sei nicht abzusehen, was die digitale Ausgabe 2020 am Ende für die Branche bedeute. "Aber diese Notmesse zeigt, was möglich ist. Man müsste sie weiter denken." So wie früher, da habe Direktor Juergen Boos recht, werde sie nie mehr sein. "Es kann auch besser werden", so das Fazit. .