Aus nach 30 Jahren

Krug & Schadenberg macht keine Bücher mehr

8. März 2023
Charline Vorherr

30 Jahre lang haben Andrea Krug und Dagmar Schadenberg lesbische Literatur veröffentlicht. Nun hören die Verlegerinnen auf mit dem Büchermachen. Im Interview erklären sie, warum sie sich gegen eine Nachfolgerin entschieden haben und wie es um die lesbische Literatur heute steht. 

Dagmar Schadenberg und Andrea Krug

30 Jahre lang haben Andrea Krug und Dagmar Schadenberg lesbische Literatur veröffentlicht. „Wir haben großartige, kluge, inspirierende Frauen kennengelernt und mit vielen erfolgreich zusammengearbeitet“, schreiben die Verlegerinnen in ihrem Abschiedstext auf ihrer Website.  

Gegründet haben Krug und Schadenberg ihren gleichnamigen Verlag am 1. Mai 1993 mit dem Ziel, Bücher für Lesben und frauenliebende Frauen zu verlegen.

Veröffentlicht wurden in 30 Jahren Bücher aus dem kompletten Genre-Spektrum - von lesbischen Liebesromanen über Krimis zu Sachbüchern. Zu ihren Autorinnen gehören unter anderem Nancy Toder, Leslie Feinberg, Slyvia Bronrigg, Karin Kallmaker, Katherine V. Forrest und Claudia Breitsprecher.

2020 wurde der Verlag für seine Arbeit schließlich mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet. 2023 sagen Andrea Krug und Dagmar Schadenberg Goodbye – wir haben nachgefragt:

Warum macht Krug & Schadenberg ab sofort keine Bücher mehr?
Nach 30 Jahren Verlag Krug & Schadenberg sagen wir Goodbye – und brechen auf zu neuen Taten! 30 Jahre lang einen Verlag für lesbische Literatur zu machen hat uns neben viel Arbeit auch sehr viel Freude bereitet, und die Resonanz von unseren Leserinnen hat uns immer bestärkt: Wir haben sehr viel Anerkennung und Wertschätzung erfahren! Doch nun möchten wir uns anderen Dingen jenseits der Welt des Büchermachens widmen. Bestärkt in unserem Entschluss, es nach 30 Jahren gut sein zu lassen, hat uns auch die seit Jahren sinkende Nachfrage nach Büchern für lesbische Leserinnen und deren Freundinnen. Nachwachsende engagierte BüchermacherInnen werden die Lücke, die wir hinterlassen, füllen – da sind wir sicher.

Wir haben sehr viel Anerkennung und Wertschätzung erfahren!

Andrea Krug und Dagmar Schadenberg

Falls es (auch) wirtschaftliche Gründe hat: was hat Ihnen die Arbeit zuletzt schwergemacht? Was kann der Buchhandel für kleine Verlage tun?
Der Buchhandel engagiert sich wenig für kleine Special-Interest-Verlage – von Ausnahmen abgesehen. Der Wegfall fast aller Frauenbuchläden in der Vergangenheit hat es immer schwieriger gemacht, Verbreitung im Buchhandel zu finden. Unsere Belletristik wird in der Regel alphabetisch einsortiert und ist damit für unsere Leserinnen schwer zu finden. Das Problem der lesbischen Sichtbarkeit, gegen das wir seit vielen Jahren angehen, scheint sich in der letzten Zeit wieder zu verstärken, und das nicht nur im Buchhandel. Aus dem LGBTQ*-Spektrum wird, wenn überhaupt, eher die schwule oder queere Literatur wahrgenommen. Ein weiterer Aspekt, der für die nachlassende Nachfrage verantwortlich sein könnte: Der Tag hat wie eh und je 24 Stunden, und es gibt heute sehr viel mehr Medien (Social Media, Streamingdienste etc.), die nach unserer Aufmerksamkeit verlangen, und das geht, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, auch zu Lasten der Bücher-Lesezeit.

Aus dem LGBTQ*-Spektrum wird, wenn überhaupt, eher die schwule oder queere Literatur wahrgenommen.

Andrea Krug und Dagmar Schadenberg

Haben Sie überlegt, eine Nachfolgerin zu finden?
Ja, aber wir haben uns dagegen entschieden. Der Verlag, den wir ja bewusst nach uns benannt haben, ist eng mit uns als Verlegerinnen verbunden und wir wollten nicht, dass unsere Namen künftig für etwas stehen, mit dem wir gar nichts mehr zu tun haben. Wenn es weiterhin einen Bedarf an Literatur für Lesben gibt, dann werden sich Verlegerinnen finden, die ihr eigenes Konzept, ihre eigenen Ideen umsetzen. Unter www.krugschadenberg.de bleibt unsere Backlist in unserem Webshop außerdem noch eine Weile aktiv.

Queere Literatur ist in den Programmen großer Verlage angekommen, zumindest teilweise. Hat die Konkurrenz geschadet?
Nein. Es hat immer vereinzelte Titel mit lesbischer Perspektive in den Programmen großer Verlage gegeben – das haben wir nie als Konkurrenz empfunden – der Markt war groß genug. Im Gegenteil: Das schaffte ja Aufmerksamkeit für lesbisches Leben und Lesen. Wenig förderlich ist allerdings das Etikett „queer“, unter dem explizit Lesbisches subsumiert und letztlich unsichtbar gemacht wird. - Wir freuen uns, mit der Rückblende, einem Highlight lesbischer Literatur von Catherine Hall, unsere Verlagsgeschichte abzuschließen und neue Wege einzuschlagen.

Wenig förderlich ist das Etikett „queer“, unter dem explizit Lesbisches subsumiert und letztlich unsichtbar gemacht wird.

Andrea Krug und Dagmar Schadenberg