Die Medien zum Tod von Klaus Wagenbach

"Einer der bedeutendsten Verleger der Bundesrepublik"

21. Dezember 2021
Redaktion Börsenblatt

Klaus Wagenbach ist am 17. Dezember im Alter von 91 Jahren gestorben. Die Medien erinnern sich an einen Verleger, einen Letzten seiner Art, einen Liebling der Buchhändlerinnen,  eine Gallionsfigur des linksliberalen Bürgertums, einen Freigeist und "Kafkas dienstälteste Witwe". 

Klaus Wagenbach hat die Buchwelt und die unabhängige Verlagsszene wie kein Zweiter geprägt. Börsenblatt-Redakteur Stefan Hauck schreibt in seinem Nachruf „Nie gegen seine Überzeugungen“ vom Leben der Verleger-Legende. 

Auch Deutschlands Feuilletons, das Fernsehen und das Radio erinnern sich an Klaus Wagenbach.

In der WELT nimmt Michael Krüger, Schriftsteller und ehemaliger Hanser-Verleger, Abschied von seinem Freund. Gemeinsam mit Klaus Wagenbach gab Krüger zwanzig Jahre lang das literarische Jahrbuch „Tintenfisch“ heraus. Der erste Kontakt zwischen beiden kam über die Arbeit an Kafkas Werk.

Krüger erzählt die Biografie des Verlegers nach. Mit seiner grenzenlosen Liebe zu Italien habe er ein literarisches und kulturhistorisches Feld erobert, „das er verlegerisch wunderbar bestellt hat. Wer in der in rotes Leinen gebunden Serie Salto erscheinen durfte, galt als unsterblich.“

Klaus Wagenbach sei alles andere als ein leichter Freund gewesen. „Aber er war ohne Einschränkungen einer der bedeutendsten Verleger der Bundesrepublik und ein Vorbild für alle, die es nicht hinnehmen wollen, dass nur eine Handvoll von Konzernen den literarischen Geschmack bestimmen.“

Auch in der Sendung „Lesart“ des Deutschlandfunks Kultur erinnert sich Michael Krüger an seinen Freund. Unter „Eigenwilliger Typ von einer ungeheuren Kenntnis“ kann der Audiobeitrag nachgehört werden. 

"Liebling der Buchhändlerinnen"

Im Deutschlandfunk schreibt Nils Kahlefendt (Börsenblatt-Korrespondent in Leipzig) über Wagenbach. „Er war einer der letzten aus einer Generation von eigenwilligen und leidenschaftlichen Verlegern – Liebling der Buchhändlerinnen und Gallionsfigur des linksliberalen Bürgertums. Ein Vorbild an Unabhängigkeit.“

Kahlefendt erinnert auch an die vielen juristischen Prozesse, die Klaus Wagenbach in seiner verlegerischen Laufbahn erleben musste. „Deutschlands am meisten vorbestrafter Verleger“ sei eine „facettenreiche Natur und ein unberechenbarer Freigeist“ gewesen. Verhärtet und dogmatisch sei er in seinen Überzeugungen nie gewesen.

„In einer auf Effizienz getrimmten Branche gibt es nicht mehr viele seiner Art. Uns wilden Lesern wird Klaus Wagenbach fehlen“, schließt Nils Kahlefendt.

Die Ironie und der Eigensinn

An Klaus Wagenbachs (Verleger-)Leben lässt sich Buchhandelsgeschichte und deutsche Geschichte ab 1945 in ganz besonderer Weise nacherzählen. Auch Franziska Augstein widmet sich diesem in ihrem Nachruf auf Klaus Wagenbach in der FAZ: Zum Tod des Verlegers Klaus Wagenbach

Ein unabhängiger Verleger brauche zwei Eigenschaften. Die Erste: Ironie: Im Alter seien seine „unbedingten Überzeugungen“ und die daraus resultierende „Lust zum Echauffement“ seiner „leicht fatalistischen Menschenfreundlichkeit“ gewichen. Doch die Ironie habe ihn bis zum Tod begleitet. „Weil indes kaum je ein Verleger sein Geschäft ohne Ironie verfolgen konnte, ist es ein wahres Versäumnis der Kulturgeschichte, dass sie keine allegorische Figur der Ironie zu bieten hat. Klaus Wagenbach musste sich ganz allein eine Gestalt aussuchen, die seiner Denkungsart gemäß war. Seine Wahl: das Kaninchen, das er für einen „Überlebenskünstler“ hielt“.

Die zweite Eigenschaft, der Eigensinn, sei Wagenbach von seinem Großvater und Vater, die sich gegen die Gesinnung der Nazis wehrten, beispielhaft geboten worden.

„Wer Klaus Wagenbach näher kannte, verliert einen witzigen, lustigen, lieben und weisen Freund“, so Franziska Augstein. „Nicht mehr viele sind am Leben, die das Verlagswesen so fröhlich und so klug geprägt haben wie Klaus Wagenbach.“

 

In memoriam hat der Bayerische Rundfunk ein Gespräch mit Klaus Wagenbach aus dem Jahr 2010 wiederholt. Es wurde zum 45-jährigen Jubiläum des Verlags aufgezeichnet und kann als Podcast nachgehört werden.

„Ich bin so gerne Verleger“, antwortete Wagenbach auf die Frage, warum er seinen Verlag nicht für ein paar Millionen Euro verkauft hatte, als sich die Chance bot. „Ein Verleger kann etwas Schönes machen, was ihm wichtig ist: Demokratisieren.“

2005 porträtierte Radio Bremen Klaus Wagenbach in einer einstündigen Dokumentation. Sie kann auf YouTube nachgesehen werden:

Klaus Wagenbach - "Das Herz sitzt links"