Strukturelle Verlagsförderung als zentrale Forderung

Interessengemeinschaft unabhängiger Berliner Verlage gegründet

2. Juli 2024
von Börsenblatt

Zwölf unabhängige Verlage haben letzte Woche die Interessengemeinschaft unabhängiger Berliner Verlage formiert. Ziel sei es, "in Zeiten der in Zeiten der größten Krise des Buchhandels die Interessen der kleinen und unabhängigen Verlage in Berlin zu vertreten, den Austausch untereinander zu fördern und gemeinsame Projekte zu realisieren". 

Die Interessengemeinschaft unabhängiger Berliner Verlage wurde gegründet von den Verlagen Assoziation A, AvivA Verlag, Carpathia Verlag, Elfenbein Verlag, Hirnkost, Interkontinental Verlag, Joanmartin Literaturverlag, Kopf & Kragen Literaturverlag, Memoranda Verlag mit Carcosa, Pulpmaster, Querverlag, Texte + Textilien

Hintergrund ist neben der sinkenden Zahl der Buchkäufer:innen vor allem die wirtschaftlich angespannte Lage im deutschen Buchhandel, die sich durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg weiter verschärft haben. Seit 2020 haben laut Börsenverein etwa 600 Buchhandlungen ihren Betrieb eingestellt. „Das Buchhandlungssterben hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Konsequenzen. Buchhandlungen sind wichtige kulturelle und soziale Treffpunkte, die weit über den reinen Verkauf von Büchern hinaus eine Rolle spielen. Ihr Verlust bedeutet auch einen Verlust an kultureller Vielfalt und lokalem Charme. Online-Händler verkaufen Bücher, Buchhandlungen und Bibliotheken gewinnen Leser:innen“, so die IG in ihrer Pressemitteilung.

Auch viele kleine und unabhängige Verlage haben seit 2020 aufgegeben, auch wenn es dazu keine aktuellen Zahlen gibt. „Von 2010 bis 2018 ist die Gesamtzahl der umsatzsteuerpflichtigen Verlage um ca. 14 % gesunken, von 2.220 auf 1.918 Verlage. Die Zahl kleiner Verlage mit einem Jahresumsatz bis zu 100.000 Euro ist besonders stark gesunken. Der Rückgang zwischen 2010 und 2018 beträgt ca. 22 %“, stellt eine Studie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) fest. In ihr wird auch festgestellt, dass eine verlegerische Vielfalt nicht allein durch die Marktdynamiken im Buchverlagswesen erhalten werden kann. Sie fordert daher eine ungebundene Verlagsförderung und eine titelgebundene Förderung durch Kostenzuschüsse. Die Gesamtkosten sollen sich auf 60-70 Millionen Euro jährlich belaufen. Nur Verlage mit einem Jahresumsatz von bis zu 1 Mio. Euro sollen förderfähig sein. Das sind etwa 2.700 Verlage

Strukturelle Verlagsförderung als zentrale Forderung

Die Interessengemeinschaft unabhängiger Berliner Verlage fordert hingegen gezielte Förderprogramme für unabhängige Buchhandlungen und Verlage. Direkte finanzielle Hilfe soll helfen, akute Liquiditätsprobleme zu überbrücken. „Unabhängige Verlage brauchen eine verlässliche strukturelle Förderung und ergänzende Titelförderungen für eine professionelle Planung und Realisierung ihrer Titel“, so die Verlage.

Sie fordern die Politik zum sofortigen Handeln auf. „Die Pleitewelle und Betriebsauflösungen im Buchhandel werden sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. Ohne gezielte Maßnahmen droht eine Verarmung der noch reichhaltigen und vielfältigen literarischen Kultur in unserem Land“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der Verlage.

Sie ziehen den Vergleich mit deutschen Theatern, Opernhäusern und Orchestern, die es ohne staatlich strukturelle Förderung nicht mehr gäbe. Die Literaturlandschaft werde dafür bisher weitgehend dem Markt überlassen.

Um diese Forderung zu forcieren und mit einer gemeinsamen starken Stimme sprechen zu können, haben die zwölf Verlage nun die Interessengemeinschaft unabhängiger Berliner Verlage gegründet.

Als erstes gemeinsames Vorhaben ist eine dreitägige Independent-Buchmesse in 2025 geplant. Ein Förderantrag wurde bereits beim Hauptstadtkulturfonds des Senats eingereicht.

Diese Lösungsansätze sieht die IG unabhängiger Berliner Verlage als zentral:

  • Gezielte Förderprogramme, um besonders kleine und unabhängige Buchhandlungen und Verlage zu unterstützen
  • Steuererleichterungen für Buchhandlungen und Verlage könnten die finanzielle Belastung reduzieren und Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur erleichtern.
  • Anerkennung von Buchhandlungen und Verlagen als kulturelle Einrichtungen und entsprechende Förderung von kulturellen Veranstaltungen und Bildungsprogrammen.

Weitere Lösungsansätze der IG:

  • Maßnahmen zur Förderung des Lesens und der Literatur
  • Buchhandlungen und Verlage können von Kooperationen profitieren. Gemeinschaftliche Initiativen und lokale Bündnisse können dabei helfen, eine stärkere Marktpräsenz zu entwickeln.
  • Die Sensibilisierung der Kunden für die Bedeutung des lokalen Buchhandels ist entscheidend. Kampagnen, die die Vorteile des Einkaufs in lokalen Buchhandlungen betonen, können helfen, das Bewusstsein zu schärfen.
  • Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Schriftsteller:innen durch umfassende Unterstützung und Anerkennung der kulturellen Bedeutung von Schriftsteller:innen.

„Ohne ein Umdenken und gezielte Maßnahmen droht eine Verarmung der noch reichhaltigen und vielfältigen literarischen Kultur in unserem Land. Es bedarf dringend neuer Lösungen und gemeinsamer Anstrengungen, um den Buchhandel in Deutschland zu stärken und die Diversität der Verlagslandschaft zu bewahren“, so Annette Staib und Klaus Farin vom Hirnkost Verlag. Sie haben die Pressemitteilung im Namen der IG verschickt. „Bei allen individuellen Optimierungsversuchen einzelner Verlage und Buchhandlungen fällt hierbei dem Staat eine zentrale Rolle zu. Ohne eine staatliche strukturelle Förderung gäbe es kein einziges großes Theater, kein Opernhaus, kein großes Orchester in Deutschland – die Literaturlandschaft wird bisher weitgehend dem Markt überlassen. Das funktioniert nicht mehr.“