Ratgebermarkt: Interview mit Christof Klocker, GU

"Hardcover setzen den neuen Standard"

24. März 2022
Sabine Cronau

Ein erfolgreicher Ratgeber muss heute neben dem Hirn auch das Herz ansprechen. Warum der emotionale Nutzen immer wichtiger wird und was das für die Traditionsmarke GU bedeutet: Antworten von Christof Klocker, Editorial Director beim Verlag Gräfe und Unzer, der in diesem Jahr 300. Firmengeburtstag feiert.

Kund:innen wollen eben nicht nur im Vorbeigehen für 9,99 Euro ein paar Curry-Rezepte mitnehmen, sondern wollen sich und andere mit diesen Büchern beschenken.

Christof Klocker, Gräfe und Unzer

Die Marke GU steht eher für Nutzwert als für Lifestyle. Ist das noch der richtige Weg in einer Zeit, in der sich immer mehr Ratgeber mit schönen Bildern und hochwertiger Ausstattung in Richtung Coffee-Table-Book bewegen?

Das ist in der Tat ein spannendes Thema, das uns im Verlag auch intensiv beschäftigt. Die Marke GU steht, da haben Sie recht, für Sicherheit, für verlässliche Informationen. Nehmen Sie die Küchenratgeber, die überall in den typischen Drehsäulen zu finden sind: Da wissen die Kund:innen, was sie bekommen – nämlich gut funktionierende Rezepte mit „GU-Gelinggarantie“.

Wir merken aber auch: Das reicht nicht mehr. Kund:innen wollen eben nicht nur im Vorbeigehen für 9,99 Euro ein paar Curry-Rezepte mitnehmen, sondern wollen sich und andere mit diesen Büchern beschenken. Hier lässt sich seit einigen Jahren eine Verschiebung beobachten – weg vom funktionalen hin zum emotionalen Nutzen eines Ratgebers. Auch die Suche nach Anerkennung spielt dabei eine gewisse Rolle, denn ein besonders Buch schmückt ebenfalls den Käufer.

Wie reagiert GU darauf?

Indem sich das Thema „emotionaler Nutzen“ wie ein roter Faden durch unsere aktuelle Programmarbeit zieht. Bestes Beispiel: Ab Mai erscheint mit „Magic cooking“ eine neue Kochbuch-Reihe im Format der Küchenratgeber, allerdings mit festen, veredelten Einbänden. Außerdem starten wir, ebenfalls im Mai, mit Thomas Brezinas Buch „Erwecke die Glückskraft der Kinder in Dir“ eine neue Ratgeber-Reihe zum Thema Lebenshilfe, die zwar inhaltlich didaktisch aufbereitet ist, aber durch die Ausstattung mit Hardcover und Halbleineneinband einen ausgeprägten Geschenkbuchcharakter bekommt.

Wir wollen höhere Preise am Markt durchsetzen – aber die Produkte müssen dann auch entsprechend ausgestattet sein.

Christof Klocker

Bedingt der Wandel in Richtung Geschenkbuch, dass das Softcover als Ratgeber-Format ausstirbt?

Natürlich gibt es Reihen und Konzepte, die bei uns weiterhin als Klappenbroschur erscheinen – einfach, weil sie am Markt gut eingeführt sind. Aber wenn ich mir unsere Novitäten so anschaue, dann entwickelt sich das Hardcover in der Tat zum neuen Standard im Ratgebersegment.

Das dürfte sich auf die Preisgestaltung auswirken....

Ja, absolut. Was im Sinne der Verlage wie der Buchhandlungen ist. Der Buchhandel fragt uns ja schon länger, warum wir überhaupt noch Bücher unter 10 Euro machen. Das ist inzwischen selten geworden, aber auch andere Preisschwellen verschieben sich nach oben. Titel, die wir früher bei 19,99 Euro angesetzt hätten, kosten inzwischen 22 oder auch 26 Euro, je nach Ausstattung. Wir wollen höhere Preise am Markt durchsetzen – aber die Produkte müssen dann auch entsprechend ausgestattet sein.

Kann der Lifestyle-Einschlag für die klassischen, eher konservativen GU-Kund:innen auch schnell zu viel werden?

Natürlich dürfen wir den Markenkern von GU nicht verwässern, das Programm nicht zu stylish zu machen. Unsere Bücher sollen schließlich langlebig sein. Durch unsere Mehrmarkenstrategie unter dem Dach von Gräfe und Unzer haben wir aber die Möglichkeit, unsere Programme auszudifferenzieren.

Beim Autorenverlag Gräfe und Unzer oder beim neuen spirituellen Label unum etwa ist Platz für lifestyligere Themen. Hier darf es gerne trendiger, spezieller zugehen als bei unserem Herzstück GU. Auch das Label BLV positioniert sich etwas anders – nämlich mit schönen, großformatigen Büchern zu sehr speziellen Naturthemen wie Jagen oder Angeln.

Beim Kochbuch sind 30 Euro für uns immer noch eine Schallgrenze - die wir bislang selten durchbrechen.

Christof Klocker

Bei BLV reißen Sie schon mal die 30-Euro-Schwelle. Ihr großes Insektenhandbuch vom Mai 2021 kostet 69 Euro...

Ja, das liegt daran, dass sich BLV sehr ausgeprägt den Special-Interest-Themen widmet. Für ein umfassendes Buch über Eulen oder das Thema Angeln geben Kenner und Hobby-Angler gerne mehr Geld aus. Beim Kochbuch dagegen sind 30 Euro für uns immer noch eine Schallgrenze, über die viel diskutiert wird – und die wir bislang selten durchbrechen.

Die Papierpreise haben kräftig angezogen. Wird der Spagat zwischen schöner Ausstattung und angemessener Preiskalkulation schwieriger?

Das betrifft nicht nur die Papierpreise. Auch Veredelung kosten Geld und Zeit. Wer seine Bücher lieferbar halten will, muss deshalb anders und langfristiger planen als früher. Um das im Alltag umzusetzen, haben wir bei Gräfe und Unzer im vergangenen Jahr regelmäßige Meetings für die Auflagenplanung eingeführt – mit Programmleitung, Herstellung und Geschäftsführung. In dieser Runde können wir besprechen, bei welchen Titeln der Nachschub knapp wird, was wir vielleicht verschieben können, um das Papier an der richtigen Stelle einzusetzen. Gerade bei unserem umfangreichen Jubiläumsprogramm 300 Jahre Gräfe und Unzer ist das besonders wichtig.

Ihr Jubiläumsprogramm punktet ebenfalls mit auffälliger Ausstattung. Überall funkeln Goldprägungen. Was schenken Sie sich selbst zum Jubiläum?

Essenzen unserer langen, traditionsreichen Programmarbeit. So erscheint jeden Monat ein Autorentitel in sehr hochwertiger Ausstattung, zum Start im Januar war das etwa „Hexenzauber, Göttinnen und weiße Magie“ von Ursula Karven, im März „10 Frauen“ von Hubertus Meyer-Burckhardt. Im Juli folgen außerdem sechs GU-Markenbücher zu unseren zentralen Themen Kochen, Backen, Garten, Kinderentwicklung, gesunde Ernährung, Hundeerziehung - allesamt in neuer Didaktik und mit praktischer Griffleiste am Rand.

Das Konzept für diese neuen Standardwerke ist gemeinschaftlich von allen Redaktionen gestaltet worden, als Geschenk an uns und unsere Kund:innen. Und wir erinnern mit Reprints an unsere beiden Klassiker „Das Kochbuch Nr. 1“ und „Das Backbuch Nr. 1“. Die Originalausgaben werden auf dem Gebrauchtbuchmarkt hoch gehandelt. Deshalb haben wir uns jetzt entschieden, beide Titel in limitierter, unveränderter Auflage noch einmal anzubieten.

Wenn diese beiden Klassiker nach wie vor so gefragt sind: Ist der Nutzwert eines Ratgebers dann auch heute noch unverzichtbar? Anders formuliert: Schöner Schein ist nicht alles?

Wenn man sich die 100 meistverkauften Ratgeber anschaut, dann gilt nach wie vor, dass erfolgreiche Ratgeber in erster Linie stimmig sein müssen. Der Nutzwert gehört unbedingt dazu. Denken Sie an die Bücher von Yotam Ottolenghi, an Steffen Henssler und seinen Corona-Bestseller „Hensslers schnelle Nummer“, an die Ratgeber von Anne Fleck oder Dr. Johannes Wimmer: Alle diese Autor:innen haben etwas zu sagen. Die Themen sind vielleicht nicht immer neu, aber sie werden auf eine andere, sehr spezielle Art aufbereitet. Topseller auf dem Ratgebermarkt – das sind starke Autorenbücher, aber auch markante Bücher, die Charakter haben und etwas Besonderes mitbringen.

Ist die Prominenz der Autor:innen dabei schon die halbe Miete?

Jein. Ein Buch funktioniert nur, wenn der Autor, die Autorin authentisch sind. Bestes Beispiel: Nachrichtenfrau Judith Rakers und ihrem Selbstversorgerbuch „Homefarming“ vom Frühjahr 2021: Die Autorin brennt für das Gärtnern und genau das vermittelt sich auch den Leser:innen. Kurzum: Autor:innen müssen voll und ganz hinter ihrem Thema stehen. Wenn zusätzlich eine gute Vermarktbarkeit und im besten Fall noch eigene Reichweite dazukommen, dann sind das sehr gute Voraussetzungen für gute Verkäufe.

Wie ist Gräfe und Unzer durch die Pandemie gekommen?

Unter unserem Dach erscheinen ja auch Reiseführer. Dadurch gab es viel Licht, aber auch viel Schatten. Betrachtet man allein das Ratgebersegment, dann hat der Verlag vor allem in den Segmenten Heimtier, Garten und Kochen einen enormen Boom erlebt. Wir hatten bei GU ein richtig tolles Jahr 2021, das uns jetzt Schwung für die Jubiläumsmonate gibt.