Die Vivat-Zahlen im Lizenzgeschäft unterstreichen den ernüchternden Befund einer nach wie vor mangelnden geschäftlichen Verbundenheit. Im vergangenen Jahr seien im Bereich der fiktionalen Bücher zwar 133 Copyright-Lizenzen eingekauft worden, davon 15 aus Deutschland, berichtet Polituchyi. Lizenzverkäufe aus dem eigenen Programm habe es im selben Zeitraum dagegen nur 34 weltweit gegeben, vier davon nach Deutschland.
Die Zahlen weisen in den Augen des Verlagschefs auf das Kernproblem hin: "Wirtschaftlich wie auch kulturell ist die Ukraine noch immer kein selbstverständlicher Teil der Weltgesellschaft." Im Bereich der fiktionalen Literatur gebe es schlicht ein Wahrnehmungsproblem: "Alle in Deutschland kennen Zhadan, aber fast alle eben auch nur ihn." Zeichen der Solidarität seien zwar enorm wichtig, aber für eine Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen bedürfe es überdies auch des konkreten kollegialen Interesses an der ukrainischen Buchproduktion.
Polituchyi, geboren in Russland an der Wolga, kam Anfang der 1980er Jahre als junger Mann nach Charkiw. Er wurde promoviert in Wirtschaftswissenschaften, machte Karriere in der regionalen Energiewirtschaft, trat bald in das sowjetisch-amerikanische Joint Venture "New Information Technologies" ein, engagierte sich politisch im Stadtrat von Charkiw und gründete mit Factor 1991 sein eigenes Unternehmen. Das hatte den ursprünglichen Schwerpunkt, Fachinformationen vor allem im RWS-Segment anzubieten. "Eine faszinierende Zeit des Umbruchs damals", erinnert er sich, "wir schauten plötzlich auf Märkte, nicht mehr auf Pläne."
Auf seine einstige Motivation, ein eigenes Unternehmen zu starten, blickt er drei Jahrzehnte später geläutert: Klar sei es seine Idee gewesen, "das Leben meiner Familie angenehmer zu machen – easy enough, not rich". Heute schaut er anders auf seinen damaligen Antrieb: "Business ist am Ende nicht geldgetrieben. Business ist wie Sport, du versuchst, dir selbst zu zeigen, was alles möglich ist. Als Unternehmer trete ich in einen Wettbewerb mit mir selbst."