Aktionswoche zu Kinder auf der Flucht

"Feuernde Synapsen"

20. Juni 2022
Nils Kahlefendt

Klett Kinderbuch hat einem Buch, das sich dem Thema Kinder auf der Flucht widmet, eine ganze Aktionswoche gewidmet. Der Verlag ist damit weder reich noch zu Lanz oder Anne Will eingeladen worden. Ein großartiges Abenteuer waren die sechs Tage dennoch.

Finanzieller und logistischer Kraftakt

Normalerweise machen Sie bei Klett Kinderbuch, na ja: nur Bücher. Im Fall von Alea Horsts "Manchmal male ich ein Haus für uns", im Februar erschienen und im Mai auf der Liste der "Besten 7" vom Deutschlandfunk, lehnte sich das Team um Verlegerin Monika Osberghaus sehr weit aus dem Fenster – und veranstaltete eine ganze Familien-Aktionswoche zum Thema Kinder auf der Flucht. Sechs pickepacke volle Tage: Im Zentrum eine Ausstellung der Fotos aus dem Buch, darum herum gebaut Veranstaltungen mit Alea Horst für Schulklassen, Familien und Erwachsene, Informationen über Hilfsmöglichkeiten, ein Kinderbuch-Schnäppchenverkauf zugunsten Betroffener und zum guten Schluss ein Familien-Sonntag mit Bilderbuchlesung und Musik. "Es war eine Gönnung", sagt Monika Osberghaus. "Wir haben letztes Jahr den Deutschen Verlagspreis in der höchstdotierten Kategorie gewonnen. Das wollten wir zurückgeben – und damit nach drei ausgefallenen Buchmessen in Serie gleichzeitig etwas für unsere Bücher tun und in unserer Stadt wieder ein Stück sichtbarer werden." Osberghaus verschweigt nicht, dass die lang vorbereitete Woche ein finanzieller und logistischer Kraftakt war, den der Verlag nicht so schnell wieder wird stemmen können.

Lokale Vernetzung

Um alles zu schaffen, hat man sich temporär verstärkt: Ein Veranstaltungstechniker, eine studentische Hilfskraft und eine Praktikantin von der benachbarten HTWK warfen sich mit Feuereifer in das Projekt. "Wir standen alle unter Strom", sagt Osberghaus. "Normalerweise bin ich froh, wenn ich in Ruhe unsere Bücher voranbringen kann." Das Zauberwort hieß lokale Vernetzung: Die Galerie KUB in der Südvorstadt, die die Verlagsleute von ihrem Comic-Autor James Turek und dem legendären Festival "Millionaires Club" kannten, war als Location ein Glücksfall; der Kuchen fürs Familienfest kam von der Kiez-Kneipe "Hotel Seeblick" ums Eck. Als man am Eröffnungsabend im engeren Unterstützerkreis fast unter sich blieb, obwohl Weißwein und Laugengebäck für 50 Leute gekauft war, wollte sich kurz Enttäuschung breitmachen. "Als ich sah, wie der Abend verlief, war ich gegen meine Gewohnheit schnell getröstet", sagt die Verlegerin. Vicki Felthaus, Bürgermeisterin für Jugend, Schule und Demokratie, hielt eine kluge, wunderbar einfühlsame Rede; Leipzigs Oberbürgermeister, der ehemalige Deutschlehrer Burkhard Jung, war bereits am Vormittag zur ersten Schulklassenlesung vorbeigekommen. Während sich die Erwachsenen dem Thema nur ungern aussetzen, waren die Schullesungen bereits im Vorfeld lange ausgebucht. Unvergessen der Moment, als ein Junge, der das Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos durchlaufen hat, seinen Mitschülern das erste Mal von seinem 'vorigen Leben' erzählte. Lang nachwirkend auch die Gespräche in der abendlichen Runde am Feuer.

"Erfahrungsreise mit allen nur denkbaren Höhen und Tiefen"

Und die Medien? Die beiden Stadtmagazine, "Kreuzer" und "Ahoi", brachten in ihren Online-Ausgaben je ein Interview zur Aktionswoche, MDR Kultur strahlte einen gebauten Beitrag mehrfach aus und MDR Aktuell sendete ein Fazit-Gespräch mit der Verlegerin. Die "LVZ", tonangebende Regionalzeitung, glänzte mit Abwesenheit. Knapp 7.000 Exemplare sind von "Manchmal male ich ein Haus für uns" verkauft, kurz vor Beginn der Aktionswoche wurde eine zweite Auflage gedruckt. Die drei kostenfreien Ausstellungen, die der Verlag für den Buchhandel anbietet, werden zwischen Nürnberg und Hamburg gut nachgefragt (Kontakt: Franziska Hauffe: Hauffe@klett-kinderbuch.de), auch die UNO-Flüchtlingshilfe bietet reichlich Ausstellungsmaterial an. Fragt man Monika Osberghaus, ob sie ihren Branchen-Kolleginnen ein solch kräftezehrendes Abenteuer zur Nachnutzung empfehlen kann, fällt der Verlegerin mit "Menschen getroffen" als allererstes ein Gedicht des späten Gottfried Benn ein: "Für uns ist die Woche eine Erfahrungsreise gewesen, mit allen nur denkbaren Höhen und Tiefen. Die Kinder, die kamen, hatten eindrückliche Begegnungen mit den Kindern aus dem Buch – man hat förmlich gesehen, wie die Synapsen feuerten."