Ein sehr persönlicher Nachruf auf Rolf Nüthen - von Matthias Ulmer

"Er war immer für alle da"

8. Januar 2025
Redaktion Börsenblatt

Für viele Mitglieder des Börsenvereins war er ein Stück Heimat: Am 29. Dezember ist Rolf Nüthen gestorben, langjähriger Geschäftsführer des Verleger-Ausschusses. Matthias Ulmer blickt zurück auf die gemeinsame Zeit - und einen Menschen, der im Verband aus Fremden eine Familie machte.

Rolf Nüthen

Rolf Nüthen

Wie kann jemand so sehr in unseren Herzen sein und doch nicht mehr unter uns?

Matthias Ulmer, Verleger des Eugen Ulmer Verlags

Am 29. Dezember erreichte uns die traurige Nachricht, dass Rolf Nüthen nach einer schweren Krankheit verstorben ist (mehr dazu hier). Die Nachricht will man nicht glauben, denn die Erinnerung an ihn ist so präsent, er ist so klar vor Augen, als ob er vor mir stehen würde. Ich spüre eine Wärme, sein Lächeln, seinen freundlichen Blick, obwohl ich ihn länger schon nicht mehr gesehen habe. Wie kann jemand so sehr in unseren Herzen sein und doch nicht mehr unter uns?

Erst jetzt spüre ich, was er für ein besonderer Mensch war. Er war immer unauffällig, immer bescheiden, still, meist im Hintergrund. Einer der Menschen, die immer da sind, obwohl man sie oft nicht wahr nimmt. Rolf Nüthen war ein selbstverständlicher Mensch. Er war da.

Matthias Ulmer

Beim Friedenspreis sah ich ihn wieder, im Wandelgang der Paulskirche, in dem alles groß und aufregend und fremd erschien. Aber dann kam er auf uns zu und begrüßte uns, und wieder war ich bei ihm daheim.

Matthias Ulmer

Erste Begegnung auf der Buchmesse

Ich habe ihn 1984 kennengelernt. Ich war zur Buchmesse als Gast bei Friedhelm von Notz, dem damaligen Geschäftsführer des Verleger-Ausschusses. Morgens kam ich mit ihm auf die Buchmesse, und der erste Gang vom Parkplatz ging zur Kalenderausstellung.

Dort kümmerte sich Rolf Nüthen um alles und Herr von Notz stellte ihn mir vor. Rolf Nüthen begrüßte mich wie ein Mitglied der Familie, er kannte meinen Vater, meine Mutter und ich fühlte mich bei ihm zu Hause.

Beim Friedenspreis sah ich ihn wieder, im Wandelgang der Paulskirche, in dem alles groß und aufregend und fremd erschien. Aber dann kam er auf uns zu und begrüßte uns, und wieder war ich bei ihm daheim. Das habe ich seitdem fast 40 Jahre erlebt, dieses Gefühl von Sicherheit, wenn er auf einen zutrat und sofort alles warm wurde und man angekommen war.

Die meisten von uns empfanden ihn wohl als Freund und so kannte er auch die Schicksale hinter den Fassaden.

Matthias Ulmer

Viele Jahre später war ich im Verleger-Ausschuss, Und er war Mitarbeiter im Team und kümmerte sich um die Buchtage, um den Arbeitskreis unabhängiger Verlage, die Taschenbuchverlage, die Publikumsverlage und natürlich die Kalenderverlage. Nach Herrn von Notz hatte er zwei Geschäftsführerinnen und organisierte für sie die Dinge im Hintergrund.

Er kannte jede und jeden und wusste über alles Bescheid. Und endlich stellte man sich beim nächsten Wechsel der Geschäftsführung die Frage, warum man eigentlich immer jemanden von außen sucht, statt den zu wählen, der alle Kompetenzen hatte. Das war wohl dieses Gefühl, dass er der sichere Hintergrund war, aber man ihn nie in der ersten Reihe gesehen hatte.

Als er die Geschäftsführung übertragen bekommen hatte, da passierte verblüffender Weise das, was das Selbstverständlichste war: er wurde Geschäftsführer und blieb doch genau der gleiche. Er war für alle da, kannte von allen die Sorgen und Nöte, stellte sich nie in den Vordergrund und organisierte die Dinge genau so, wie er es immer getan hatte. Die Frage, ob er der richtige sei, hat sich nie jemand stellen müssen. Nur die Frage, warum man das nicht viel früher gesehen hat. Eben weil er Rolf Nüthen war.

Für viele wird das Gefühl, im Börsenverein eine Heimat zu haben, das Lachen von Rolf Nüthen sein.

Matthias Ulmer

Ich war mit ihm in zahllosen Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Was auch immer wir begannen, er war da und sorgte für die Umsetzung. Er kannte jede Verlegerin und jeden Verleger, und er kannte auch die meisten Sortimenter.

Die meisten von uns empfanden ihn wohl als Freund und so kannte er auch die Schicksale hinter den Fassaden und manchmal wirkte es so, als ob er die Sorgen von uns allen in sich aufnimmt und ihn das schwer macht. Aber er tat das mit einer Empathie, die gleichzeitig beruhigte: da war jemand, der wusste, wer Kummer hat. Das beruhigte, bei ihm war das in guten Händen.

Als ich keine Ämter mehr hatte, da hielt er den Kontakt genau so wie immer, wie bei unserer ersten Begegnung so viele Jahre früher: er lachte, begrüßte mich und ich war bei ihm geborgen.

Er hat sich nie wichtig genommen. Wichtig waren immer die Anderen.

Matthias Ulmer

Es ist so schmerzhaft, Rolf Nüthen zu verlieren, weil er so wichtig war, und es mir erst jetzt so richtig bewusst wird. Ich habe ihn für selbstverständlich gehalten und nur unbewusst wahrgenommen, dass er viel mehr war.

Rolf Nüthen war ein Mensch, der Liebe gegeben hat, Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Beistand. Er hat sich nie wichtig genommen. Wichtig waren immer die Anderen.

Er hat Mitmenschlichkeit gelebt, er hat Fremde zu Familienmitgliedern gemacht. Er ist darin, das weiß ich heute, ein ganz großes Vorbild, dafür, wie menschliches Zusammenleben gelingen kann. Für viele wird das Gefühl, im Börsenverein eine Heimat zu haben, das Lachen von Rolf Nüthen sein.

Er war ein Mensch, der wusste, welcher große Schatz Familie ist und dem es gelang, dieses Gefühl auf sehr viele Menschen auszubreiten. Deshalb ist der Verlust so groß, weil das nur wenige können. Und weil ich das Gefühl habe, dass wir ihm dafür nie genug zurückgeben konnten. Die Trauer seiner Familie kann ich mir kaum vorstellen, aber es wird am Ende Stolz bleiben, ihn gehabt zu haben.