Ich erlebte Arndt Ruprecht zum ersten Mal auf dem Oktoberfest, ich meine, es war 1957. Das war nicht sein gewohntes Umfeld. Aber der jährliche Ausflug des Carl Hanser Verlags auf die Wiesen brachte ihn dort hin. Er machte bei Hanser ein Praktikum. Während und nach dem Studium der Germanistik (Skandinavistik), mit Anglistik und Theologie als Nebenfächer und der anschließenden Promotion durchlief er vier Praktika, in Minneapolis, New York, London und eben bei Hanser in München.
Hanser hatte einen besonderen Ruf als Ausbilder, auch von Kollegenkindern. Die allseits spürbare Persönlichkeit des Verlegers, die Kultur und Kompetenz des Hauses hat uns fasziniert und gefesselt. Arndt Ruprecht war schon damals ein Gelehrter und auch ein fürsorglicher Seelsorger. Neun Jahre Altersunterschied machen allerdings in diesem Lebensabschnitt einen großen Unterschied. Gemeinsam erkundeten wir den Münchner Lebensstil, im Theater, beim Fasching (einem anderen obligaten Hanser-Event) und in den Bergen.
Eine Vespafahrt nach Nürnberg ist mir noch in lebendiger Erinnerung. Die herrlichen Kirchen, die langsam wieder erstehenden alte Stadt und die Fülle der Kunstwerke im Germanischen Nationalmuseum haben uns jeden auf seine Art begeistert. Auch die besondere Vergangenheit der Stadt Nürnberg hat uns, insbesondere Arndt, der noch im Geiste der Bekennenden Kirche erzogen und geformt war, bewegt.
Diese prägende aber doch kurze Zeit hat eine Verbindung geschaffen, die uns zeitlebens begleitet hat.
Die Treffen des Öhringer Kreises, den wir 1964 ins Leben gerufen hatten, boten zwei Mal im Jahr Gelegenheit zur Begegnung und zum Austausch. Die Buchmessen in Frankfurt und Leipzig waren ebenso wie die Buchhändlertage Veranstaltungen, auf denen man Arndt Ruprecht mit Sicherheit traf. Die Branchenkommunikation wurde damals stärker von persönlichen Kontakten getragen. Das scheint zum Professionalismus der heutigen Zeit nicht mehr zu passen. Dabei haben die Begegnungen Konflikte gelöst und Chancen geschaffen.
Eine davon war die UTB. Die Gründung erfolgte Ende 1970 auch aus dem Freundesnetzwerk heraus. Und Vandenhoeck & Ruprecht waren von Beginn an dabei. Meist wurde der Verlag von Arndts Vetter, Dietrich Ruprecht, vertreten, später durch Reinhilde Ruprecht. Gemeinsam arbeitete man in der UTB daran, für die kleinen und mittleren Wissenschaftsverlage einen Lehrbuchvertrieb aufzubauen, der ihnen ermöglichte aus Buchhandel und Bibliotheken von den Großverlagen nicht verdrängt zu werden. Dass die Kooperation auch heute noch trägt und stärker scheint denn je, das macht stolz.
Arndt Ruprecht trat 1958 in den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, die Buchhandlung Deuerlich und die Druckerei Hubert & Co ein. 1962 wurde er geschäftsführender Gesellschafter, gemeinsam mit seinem Vetter Dietrich. Arndt kümmerte sich als Verleger vor allem um Theologie und Pädagogik. Ab 1992 trat auch Arndts Tochter Reinhilde als Gesellschafterin in den Verlag ein und übernahm schrittweise Verantwortung, ab 1998 als Mitglied der Geschäftsleitung. Nach seinem und Dietrichs Ausscheiden aus der Geschäftsführung im Jahr 2004 erfolgte fast umgehend die Abberufung seiner Tochter als Geschäftsführerin, ein für ein so traditionelles Familienunternehmen harter Schritt, der Arndt sehr traf. Auf der Betriebsversammlung anlässlich der Abberufung hielt er vor den Mitarbeitenden eine bewegende Ansprache. Die Geschichte von Verlag und Familie hat sich seitdem getrennt entwickelt.
Arndt war ein Gelehrter, durch und durch. Neugierig, bescheiden und klug. Lebensklug. Er setzte für sein Wirken Schwerpunkte, die man oft nicht wahrnahm. Was anderen Kollegen wichtig war und sie leitete, der Stil und Zauber des Berufs, die weltweite Erlebniswelt waren seine Sache nicht. Er engagierte sich für den Börsenverein 22 Jahre in der Rechtschreibkommission der Gesellschaft für Deutsche Sprache. Er war Mitglied der Kommunikationskommission des Evangelischen Missionswerks und erreichte, dass die Frankfurter Buchmesse Jahr für Jahr kirchliche Verlegerinnen und Verleger aus Entwicklungsländern zum Austausch auf die Messe einlud und weiter einlädt. Der Börsenverein ehrte ihn als "hervorragenden Vertreter seines Berufsstandes" durch die Verleihung der Goldenen Nadel, das Land Niedersachsen verlieh ihm 2000 den Niedersächsischen Verdienstorden.
Verdienste hatte er genug, Orden passten nicht zu ihm. Er war Arndt, Dr. Arndt Ruprecht, der höfliche, bescheidene, beharrliche, kluge, gebildete Mann, der noch im hohen Alter immer etwas Jungenhaftes an sich hatte, wenn er einem auf der Messe entgegen kam, sich sichtbar freute und anteilnehmend fragte: Wie geht es Dir und Deiner Familie?