US-Streit um das „Internet Archive“

Ein Sieg für das Urheberrecht

5. September 2024
Sabine Cronau

Kann man von „fair use“ sprechen, wenn eine Non-Profit-Organisation komplette Bücher scannt und kostenlos ohne Genehmigung online in einer “Free Digital Library“ zur Verfügung stellt? Nein – das hat jetzt ein Berufungsurteil in den USA bekräftigt.

In dem Streitfall geht es um das „Internet Archive“. Das 1996 gegründete, gemeinnützige Projekt (Mission: freien Zugang zum Wissen der Welt) hatte im März 2020 eine Art "nationale Notfall-Bibliothek" für die Zeit der Corona-Krise ausgerufen und seitdem massenweise ohne Genehmigung vollständig gescannte Bücher frei zur Verfügung gestellt. Mittlerweile stehen in der "Open Library" mehr als zwei Millionen Bücher zur Verfügung.

Die Verlage Hachette, HarperCollins, Wiley & Sons und Penguin Random House erhoben darauf in New York Klage gegen das „Internet Archive“ und seine „Open Library“, weil sie das Urheberrecht verletzt sahen.

Das Bezirksgericht in New York gab den Verlagen im März 2023 in erster Instanz recht – jetzt hat sich auch die Berufungsinstanz (United States Court of Appeals for the Second Circuit) dieser Position angeschlossen, wie die Association of American Publishers meldet.

Was ist wirklich im öffentlichen Interesse?

Das „Internet Archive“ argumentierte vor Gericht, dass das kostenlose Angebot im öffentlichen Interesse sei. Diese Position bezeichneten die Richter in ihrem Urteil allerdings als kurzsichtig. Zwar könnten Bibliotheken und Leser:innen für kurze Zeit vom Zugriff auf kostenlose digitale Bücher profitieren, doch die Frage sei: Was sind die langfristigen Konsequenzen?

Das Gericht erkennt das ernstzunehmende Interesse beider Parteien diesem Fall an, findet aber dennoch deutlich Worte zugunsten des Urheberrechts: Das „Internet Archive“ verweise darauf, dass ein Verbot seiner „Open Library“ den Verbrauchern schade, so die Richter – doch das ungenehmigte Scannen der Bücher weiterhin zu erlauben, schade den Autorinnen und Autoren.

Jedes digitale Buch, das über das „Internet Archive“ verbreitet werde, bringe Verlage und Autoren um die Einnahmen, die ihnen als Kompensation für ihre kreative Arbeit zustehen würden, befand das Gericht. Was sich langfristig wiederum negativ auf die Buchproduktion auswirken würde – und damit auch auf den Konsumenten.

Die Entscheidung in zweiter Instanz erinnert uns alle unmissverständlich daran, dass Verstöße gegen das Urheberrecht gegenläufig zum öffentlichen Interesse sind.

Maria A. Pallante, Präsidentin und CEO der Association of American Publishers

Das Recht auf Lizenzierung

Die Richter machten zudem deutlich, dass das Urheberrecht das Werk eines Autors unabhängig vom Format schütze – und umgekehrt die Digitalisierungsleistung des „Internet Archive“ keineswegs ausreiche, um von einer „Transformation“ des ursprünglichen Werkes durch neue Features oder kreative Bearbeitung zu sprechen.

Die aufschlussreiche, ausführliche Begründung rund um das Thema „Fair Use“ und Urheberrecht lässt sich hier nachlesen. Die Richter stellen dabei auch das Argument einer "kontrollierten Nutzung" in Frage - hier geht es darum, dass das "Internet Archive" die Zahl der digitalen Leihvorgänge an die Zahl von Printexemplaren in den angebundenen Bibliotheken koppelt.

Die „Association of American Publishers“ begrüßte das Urteil (zur Stellungnahme geht es hier, mit der Zusammenfassung der wichtigsten Punkte). Es stärke die Rechte der Verlage und Autoren – das Recht auf Lizenzierung und das Recht, für die Nutzung von Büchern und anderen kreativen Werken bezahlt zu werden.

„Das Urteil erinnert uns alle unmissverständlich daran, dass Verstöße die Allgemeinheit teuer zu stehen kommen und gegenläufig zum öffentlichen Interesse sind“, so der Verlegerverband.