Die Sonntagsfrage

Braucht jetzt auch die Buchbranche eine Future-Bewegung, Frau Weiss?

30. Mai 2021
Redaktion Börsenblatt

Die vor zwei Jahren gegründete Initiative Writers for Future startet zur Leipziger Buchmesse eine Kampagne für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Buchbranche. Straßenprotest, Aufklärungsbücher, auf Verlage und Auslieferer einwirken – was haben die Autor*innen vor? Und was haben sie in den vergangenen zwei Jahren schon erreicht? Antworten von Anne Weiss, Autorin und Mitorganisatorin von Writers for Future

Na, klar braucht es uns! Ich gehe schon länger für Klimaschutz auf die Straße, aber am besten kann man sich bekanntlich in dem Bereich einsetzen, den man am besten kennt. Als ich vor zwei Jahren nach einem eigenen Buch zum Thema und mit den zunehmenden Straßenprotesten nach einer Initiative gesucht habe, die sich für Klimaschutz in meiner eigenen Branche einsetzt und die Ziele der jungen Klimabewegung unterstützt, bin ich auf diese Initiative des VS gestoßen und habe mich bei Sven j. Olsson gemeldet, mit dem zusammen ich die Gruppe nun organisiere. Als ehemalige Verlagslektorin und Autorin bin ich seit zwanzig Jahren in der Branche, aber das Umdenken hat doch erst vor wenigen Jahren wirklich begonnen und Buchbranchenmühlen mahlen langsam, wie ich aus Erfahrung weiß.

Wenn wir auch im Jahr 2021 teils noch über Folieneinschweißung diskutieren und FSC-Papier als besonderer Nachhaltigkeitskick gilt, dann ist noch viel für uns Writers for Future zu tun. Papier aus nachhaltig erwirtschaftetem Holz ist zwar ein guter Ansatz, aber noch längst nicht das Ende der Umweltfreundlichkeitsfahnenstange – da denke ich eher an Cradle to Cradle, wie das vereinzelt schon Verlage ausprobieren, und den SDG Publisher’s Compact, mit dem die Nachhaltigkeitsziele der UN auf die Buchbranche übertragen werden sollen.

Da wollen die Writers for Future ansetzen: Wir stellen uns hinter die Fridays und unterstützen sie durch Texte, Workshops und Veranstaltungen. Gleichzeitig hat das Buch einen so hohen Sympathiefaktor, dass wir unser Publikum und Fans anstiften können, mehr über Klima und Artenvielfalt nachzudenken. Hier sind besonders Autorinnen gefragt, die erfolgreich im Genre sind, finde ich – ihr könnt so viele Menschen erreichen! Außerdem ist es uns eben wichtig, in die Branche hineinzuwirken: das Bewusstsein über die Klimakrise zu erweitern, mehr Klimaschutz und Biodiversitätsschutz in der Branche zu erreichen.

Papier aus nachhaltig erwirtschaftetem Holz ist zwar ein guter Ansatz, aber noch längst nicht das Ende der Umweltfreundlichkeitsfahnenstange.

Das Problem der Low-Budget-Branche

Es ist doch so, dass den meisten meiner ehemaligen Kolleginnen und Verlagsleiterinnen bewusst ist, dass wir uns in einer Krise befinden – es gibt in verschiedenen, auch großen Verlagshäusern mitunter gute Ansätze, aber man geht den ganzen Weg noch nicht, oft aus finanziellen Gründen, und dann ist es eben nur halbgut. Ich kenne die Diskussionen ja, immerhin ist die Buchbranche in gewissem Sinn eine Low-Budget-Branche, auch wenn für Spitzentitel immer wieder auch Spitzensummen ausgegeben und Spitzenmarketing gemacht wird, dann sollte auch Spitzenbuchproduktion drin sein. Und es gibt viele engagierte Lektorinnen, die immer wieder Titel dazu einkaufen und sich dann auch dafür einsetzen, dass diese nachhaltiger produziert werden. Nicht zuletzt die wegweisenden Gerichtsurteile zu dem Thema zeigen: Wir kommen nicht um den sozialökologischen Wandel und eine klimagerechte und biodiversitätsgerechte Produktionsweise herum, die Zeiten sind endgültig vorbei. Es muss also Standard werden, so nachhaltig wie möglich zu denken, und wir alle müssen uns ambitionierter für den Klimaschutz und die Artenvielfalt einsetzen. Besonders in einer so emissionsreichen Branche!

Auch die Entscheiderinnen in unserer Branche müssen dem menschengemachten Klimawandel angemessen begegnen - und dazu gehört, sich die Wahrheit über den eigenen Einfluss auf die Klimaveränderungen einzugestehen, und zwar in ganzem Maß. Gleichzeitig liebe ich Bücher und bin in der Branche zu Hause. Keine Bücher sind auch keine Lösung – aber wir wollen natürlich alle nur die besten, die es gibt, und das muss endlich heißen: die nachhaltigsten, die es geben kann.

Es gibt in verschiedenen, auch großen Verlagshäusern mitunter gute Ansätze, aber man geht den ganzen Weg noch nicht, oft aus finanziellen Gründen, und dann ist es eben nur halbgut.

Das hat Writers for Future bisher geschafft

Was wir erreicht haben: Die Klimabuchmesse hatte dieses Jahr ihren ersten Auftritt, wir arbeiten mit Schools for Future derzeit an einer Aktionswoche Klima und haben jede Woche eine Session, um Klimagerechtigkeitsbriefe an Politikerinnen zu schreiben. Wir haben sehr viel Bestätigung aus der Branche bekommen und die Initiative ist sehr schnell auf rund sechzig Mitglieder gewachsen. Immer mehr bekannte Autorinnen bekennen sich zum Klimaschutz und erreichen damit Verlage und Publikum, neben Eckart von Hirschhausen und Zoë Beck sind da etwa Frank Schätzing, Tanja Dückers, Isabel Abedi, Mark Benecke, Maren Urner, Gerda Raidt und andere zu nennen, die sich unserer Klima-Statement-Aktion auf Social Media und in der Presse angeschlossen haben. Dies zeigt: Dieses Thema ist wichtigen Autorinnen wichtig – Klimaschutz kann so bei Vertragsverhandlungen zum Ass im Ärmel der Verlegerinnen werden.

Übrigens sind wir Writers for Future angetreten, um uns überflüssig zu machen – ich würde nämlich meine Freizeit auch viel lieber ein gutes Buch stecken, als mir die Abende mit der Planung der diesjährigen Klimabuchmesse und anderer Aktionen herumzuschlagen, so viel Spaß das auch macht.