Bibliotheksverband gibt Kontra
Der Deutsche Bibliotheksverband wendet sich in einer Stellungnahme gegen die Initiative "Fair Lesen" und spricht von Falschinformationen.
Der Deutsche Bibliotheksverband wendet sich in einer Stellungnahme gegen die Initiative "Fair Lesen" und spricht von Falschinformationen.
Die Debatte um "Fair Lesen" geht weiter. Autor*innen und Verleger*innen würden den Öffentlichen Bibliotheken unterstellen, dass diese mit dem Verleih von E-Books den E-Buch-Markt zerstören und dadurch Kreativität sowie freie Meinungsäußerung massiv beeinträchtigen würden, klagt der Deutsche Bibliotheksverband (dbv). Zugleich werde vor einer politischen Zwangslizensierung gewarnt, durch die E-Books zum Nulltarif angeboten würden.
Aus Sicht des dbv beruht der Appell der Autor*innen und Verleger*innen "auf Falsch- und Fehlinformationen". Er nimmt dazu wie folgt Stellung:
Der Deutsche Bibliotheksverband habe sich seit 2012 dafür eingesetzt, dass die Ausleihe von E-Books gesetzlich geregelt werde, der Bundesrat habe kürzlich dazu einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorgelegt, "den die Autor*innen vehement ablehnen", so der dbv. "Aber nur auf dieser gesetzlichen Grundlage lassen sich überhaupt die notwendigen 'angemessenen Bedingungen' für den E-Book Verleih zwischen Autor*innen, Verlagen und Bibliotheken verhandeln, denn das Bundeskartellamt hat kürzlich erneut bestätigt: Über Lizenzbedingungen für den digitalen Verleih dürfen keine Rahmenvereinbarungen zwischen dem Bibliotheksverband und dem Börsenverein ausgehandelt werden." Das Gesetz solle zum einen Bibliotheken ermöglichen, E-Book-Lizenzen auch für Neuerscheinungen käuflich zu erwerben; zum anderen die Autor*innen fair zu vergüten.
"Die Kampagne 'Fair Lesen' vermittelt den definitiv unzutreffenden Eindruck, dass die Öffentlichen Bibliotheken allein für Autorenvergütung und Marktentwicklung von E-Books verantwortlich sind", sagte der Bundesvorsitzende des dbv, Prof. Andreas Degkwitz. Jahr für Jahr verausgabten Öffentliche Bibliotheken über 110 Millionen Euro für den Kauf von Medien, um allen Bürger*innen ihrer Kommunen – unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten – Zugang zu E-Books zu bieten; dies betreffe auch die aktuellen E-Books. Die Versorgung mit Informationen und Literatur gehört zum Auftrag der Öffentlichen Bibliotheken. "Durch das Zurückhalten des Verkaufs aktueller E-Book-Veröffentlichungen (Windowing) - von teilweise bis zu einem Jahr - werden die Infrastrukturen zur Literaturversorgung der Bürger*innen regelrecht ausgetrocknet", erklärte Degkwitz. "Die Bereitstellung aktueller E-Books in Bibliotheken ist dann komplett abhängig von Marktentwicklungsprognosen der Autor*innen und Verlage. Die damit absehbar einhergehende Spaltung in informierte und nicht informierte Mitglieder unserer Gesellschaft kann niemand akzeptieren oder wollen."
Da Autor*innen, Bibliotheken und Verlage bisher keinen Weg gefunden hätten, um zu einer Lösung ihrer Interessenkonflikte zu kommen, plädiere der dbv dafür, dass die Gespräche und Verhandlungen zu einer Lösung dringend fortgesetzt werden müssen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung eines Pflichtangebots aktuell erscheinender E-Books zu angemessenen Bedingungen biete aus Sicht des dbv einen diskussionswürdigen Ansatz.
Ja, rechtlich gesehen wird kein Kauf sondern eine Lizenz abgeschlossen. Aber da fast jede Bibliothek in einem großen Verbund ist, muss sie selbst keinen Vertrag abschließen, sondern nur Titel ankreuzen.
Bei vielen Titeln ist eine 2-3fache gleichzeitige Nutzung vereinbart, viele Titel werden früher zurückgegeben, so dass auch ein häufigeres Verleihen möglich wäre.
Bei manchen Verlagen zahlen die Bibliotheken mehr, bei vielen genau das gleiche wie privaten Nutzer.
Manche Verlage machen zeitlich befristete Lizenzen, der Großteil macht das nicht.
Bibliotheksnutzer können problemlos einen Ausweis in irgend einer Bibliothek beschaffen. Der Wohnort wird selten geprüft. In Archivalia bietet Klaus Graf eine gute Übersicht über Schnäppchen-Bibliotheken für Jedermann. Da zwar das Ausleihen kostenlos ist, der Bibliotheksausweis dagegen nicht, sind einige Bibliotheken für jeden Nutzer dankbar, ob Preusse oder Bayer.
Sehr rätselhaft finde ich, dass der Bibliotheksverband statistische Daten über die Onleihe vom Börsenverein berichtet. Dabei hat er selbst Nutzungszahlen von 2020 die real sind und nicht von der GfK durch Befragung hochgerechnet. Dann würde man sehen, dass die Onleihe schon deutlich mehr als 10% der gesamten Ausleihen ausmacht. Im Anschaffungsetat für Medien werden aber nur ca. 2% für E-Books ausgegeben.
Wäre nicht die richtige Frage:
Wenn immer mehr Nutzer Onleihe machen, und diese komplett außerhalb der jeweiligen Bibliotheken abgewickelt wird, müssten dann nicht deutlich Stellen abgebaut werden und das frei werdende Budget für Medien zur Verfügung stehen?
Aus der Praxis:
Als kleine Bibliothek muss ich mich einem Verbund anschließen. Wir haben zu acht das kleine Portal emu gegründet, unser Anbieter ist Overdrive. Vereinbart ist, dass jede Bibliothek 7% ihres Anschaffungsetats für den Verbund ausgibt. Das wird von den meisten anderen Verbünden ähnlich gehandhabt. Wir bestellen abwechselnd alle 2 Wochen.
Als wir 2013 anfingen, wurden uns tolle Lizenzen versprochen: Mehrfachnutzung, permanente Lizenzen etc.
Die Wirklichkeit
So sah meine letzte Bestellung im Oktober für 856 € aus:
28 Titel sind auf 48 Monate begrenzt
6 Titel auf 52 Monate begrenzt
9 Titel haben 48 Monate bzw. 26 Ausleihen, je nachdem, was früher eintritt
2 Titel sind begrenzt auf 26 Ausleihen
1 einziger Titel hat eine permanente Nutzung „eine Kopie – ein Benutzer“.
Für „Darm mit Charme“ haben wir 25 € bezahlt (14,99€ normal). Der „kleine Teeladen in Tokio“ kostete uns 16,35 € (im Vergleich 3,99 €).
Das Bestellbeispiel ist keine Ausnahme, sondern bildet die Normalität ab. Ich gewähre gern jedem Einblick in die Unterlagen.
Für den Kauf von 446 Hörbuchlizenzen im Wert von 10000 € - ganz aktuell bestellt von uns am 15.10.21 - sehen die Lizenzen so aus:
428 Titel - Begrenzung auf 48 Monate
1 Titel - Begrenzung auf 52 Ausleihen
16 Titel - früherer Wert von 26 Ausleihen oder 48 Monate
1 Titel - eine Kopie – ein Benutzer
Titel, die weniger als 48 Monate Laufzeit haben, kaufen wir nur in Ausnahmefällen.
Das heißt, dass nach 4 Jahren alle diese Titel bis auf 2 aus dem Bestand wegfallen. Finden Sie das fair?
Ich weiß nicht, wer die Behauptung aufstellt, dass nur manche Verlage zeitliche Begrenzungen machen. Genau das Gegenteil ist der Fall – s. Bestellungen.
Titel mit Mehrfachnutzungen werden gar nicht angeboten. Alle Lizenzen können nur von jeweils einem Nutzer ausgeliehen werden.
So wie die Preisgestaltung gerade bei gefragten Titeln abläuft, sehe ich schwarz. Wir können uns diese überteuerten Titel einfach nicht leisten und weichen aus zu Titeln mit „Normalpreisen“ oder Billigangeboten. Das Niveau des Bestands sinkt dadurch und wir können in Zukunft nicht garantieren, Zugang zu allen E-Books anzubieten.
Für unsere acht Bibliotheken kann ich im Übrigen sagen, dass dort nur Kunde werden kann, wer aus dem näheren Umkreis der Bücherei stammt. Kunden können aber durchaus Kinder unter 6 Jahren werden.
Bei den sogenannten Schnäppchenbibliotheken, die Matthias Ulmer in seinem Kommentar erwähnt, handelt es sich fast ausschließlich um solche mit Schnupperausweise für begrenzte Zeit bzw. für Bürger einer bestimmten Region/Bundesland. Die Anzahl der aufgeführten Bibliotheken ist sehr überschaubar.
Meine Meinung: Die Bibliotheken werden nicht fair behandelt. Wir sind beim Kauf der Lizenzen extrem benachteiligt.
Schätzungsweise 95% der neugekauften Titel haben eine Bestandsdauer von durchschnittlich 48 Monaten und die Lizenz müsste danach neu erworben werden.
Aktuelle Bücher sind dazu noch überteuert. Über windowing müssen wir gar nicht reden…