Ein Beitrag auf dem Instagram-Account der Radiosendung „Schwester Suffragette“ hat in der vergangenen Woche eine Protestwelle gegen das Buch „24 Gesetze der Verführung“ von Robert Greene ausgelöst (Hanser, im Taschenbuch bei dtv). Tenor: Das Buch liefere eine Anleitung zu psychischer Gewalt.
Der Titel, 2002 erstmals auf Deutsch erschienen, zeige, „wie man mit Charme und Überzeugungskraft andere Menschen beeinflussen und auf Abwege bringen kann“, wirbt Hanser auf seiner Website für das Werk. Doch Flirttipps und Kommunikationsstrategien finden die Protestierenden in dem Buch nicht, stattdessen, so ihre Position, zeige der Autor, wie man in „24 Gesetzen“ sein „Opfer“ in psychische Abhängigkeit dränge.
„Es gibt dem ‚Täter‘ eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie die begehrte Person manipuliert, isoliert und gefügig gemacht werden kann; kurz gesagt: wie man psychische Gewalt ausübt“, heißt es auf dem Blog „Feministisches Lesen“, der die Protestaktion initiierte und von dem der Artikel-Titel zitiert wird. Hanser und dtv haben mittlerweile reagiert - und angekündigt, das Buch nicht weiter verkaufen zu wollen.
Einige Textstellen sind den Protestierenden besonders aufgestoßen:
- "Schüren Sie Angst und Unzufriedenheit [...] Angespannte Disharmonie müssen Sie dem Geist Ihres Opfers einpflanzen."
- "Isolieren Sie das Opfer - Eine isolierte Person ist schwach. Indem Sie Ihr Opfer nach und nach absondern, machen Sie es Ihren Einflüssen leichter zugänglich. Führen Sie es aus seinem vertrauten Milieu heraus, entfremden Sie es von Freunden, Familie, Heimat. Geben Sie Ihm ein Gefühl im Niemandsland zu sein. Im Zustand der Isolation und ohne Konfusion von außen können Sie es leichter bringen, wohin Sie wollen. Locken Sie ihr Opfer in Ihr Lager, wo alles unvertraut ist.“
- "Mischen Sie Lust und Schmerz - Der größte Fehler beim Verführen ist, zu nett zu sein. [...] Lassen Sie das Opfer sich unsicher und schuldig fühlen. Zetteln Sie einen Streit, gar eine Trennung an - wenn Sie nach der Versöhnung wieder zu Ihrer früheren Freundlichkeit zurückkehren, wird Ihr Opfer Ihnen auf Knien danken. Je abgrundtiefer die Qualen, umso himmelhöher die Freuden. Erzeugen Sie Angst, um die Erotik zu steigern."
Die Protestaktion auf Instagram wurde durch reichweitenstarke Persönlichkeiten wie Silvi Carlsson und Ines Anioli, aber auch durch die junge feministische She Said Buchhandlung verbreitet.
„Damit wollen wir Aufmerksamkeit für das Thema psychische Gesundheit schaffen und die Verlage und Buchhandlungen im Idealfall dazu bringen, das Buch aus dem Programm zu nehmen - zumindest aber zum Nachdenken anregen", heißt es auf dem Blog „Feministisches Lesen“ weiter: "Es ist wichtig, dass dieses Buch nicht in falsche Hände gerät - am besten wäre es, es würde in niemandes Hände geraten. Jedes "Opfer", das wir dadurch schützen und dem wir eine solche Beziehung ersparen können, ist den Aufwand wert“.
Im Rahmen der Protestaktion wurde dazu aufgerufen, negative Bewertungen für das Buch zu schreiben, Nachrichten an die Verlage dtv und Hanser zu schicken, eine Petition zu unterzeichnen sowie die Kritik an dem Buch weiter zu teilen.
Nach einer internen Prüfung des Titels meldeten sich die Verlage dtv und Hanser mit dieser Stellungnahme zu Wort:
"In den vergangenen Tagen haben uns Zuschriften erreicht, die sich an dem erstmals im Jahr 2002 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch „Die 24 Gesetze der Verführung“ stoßen. Der Band ist seinerzeit bei Hanser und dtv als Kulturgeschichte publiziert worden, die mit Beispielen aus der Literatur eine Phänomenologie der Verführung entwickelt. Zwischengeschaltet sind Ansprachen im Ton eines Ratgebers. Das war als Spiel mit der Form gemeint, das Buch wurde wohlwollend aufgenommen.
Zeiten ändern sich. Die gesellschaftliche Debatte zu toxischen Beziehungen und psychischem Missbrauch hat zu Recht zugenommen, ebenso die Erforschung dieser Felder. Damit einher geht eine gestiegene Sensibilität – die einen solchen Umgang mit dem Gegenstand fragwürdig macht. Das geht auch uns so. Wir haben das Buch nun erneut betrachtet, in beiden Verlagen diskutiert und werden es nicht weiter verkaufen."
Die zizierten Passagen waren allerdings schon 2002 jenseits von gut und böse, der "Gag", Kulturgeschichte so zu vermitteln, zumindest fragwürdig - wobei der fehlende Zusammenhang natürlich noch brutalisierender wirkt.
Auf jeden Fall: ein gutes Beispiel für Lernfähigkeit, freut mich.
Und es ist sehr gut, dass sich die Verlage Hanser und dtv darzu nun entscheiden konnten, dass Buch von - Greene, Robert 24 Gesetze der Verführung - aus beiden Verlagen nach einer Prüfung wieder herauszunehmen, sodass es nicht mehr im Buchhandel bestellt werden kann.
Dieses Buch war 2002 in deutscher Übersetzung auch bei Hanser und dtv publiziert worden und wurde damals sogar gut beurteilt, z. B. als eine ,Kulturgeschichte der Verführung`.
Mit den Jahren hat sich aber in unserem Land entscheidend die Sichtweise über die Darstellungen in solchen Büchern geändert.
Es ist also sehr fragwürdig, wenn ein Buch in 24 möglichen ,Gesetze der Verführung` zu einem ,psychischen Missbrauch` da sozusagen Anleitungen gibt.
In der Zwischenzeit sind die Leser/- innen hellhöriger für solche Bücher geworden.
Es wäre jedenfalls nicht gut und bei manchen Verlagen würde dies auch langfristig einen Schaden zeigen, wenn Bücher mit so ,Anleitungen` im übertragenen Sinn in den Buchhandlungen zum Verkauf in den Regalen ausliegen.
Besonders die Buchhändler/- innen, die ja auch letzendlich verantwortlich dafür sind, was wir als Kunde/- in in den Buchhandlungen für Bücher zur Lektüre vorgelegt bekommen, sollten besser ihre Neuerscheinungen vorb lesen können, bevor diese dann in den Schaufenstern und im Geschäft präsentiert werden.
Noch immer ist es weitgehend doch so, dass unsere Gesellschaft auch kulturell von Büchern geprägt wird und dies in haptischer Form (ein Buch in den Händen halten), trotz der zunehmenden Digitalisierung in der Vielfalt der Medien.
Und gerade deshalb sind Informationen über Buchinhalte von Verlagen sehr von Bedeutung.
Die Psyche des Menschen formt ja auch seine Persönlichkeit und wie er mit anderen Menschen lebt und mit ihnen umgeht.
Ein ,psychischer Missbrauch` liegt dann vor, wenn ein Mensch in seinem Denken und Handeln so manipuliert wird, dass er dann aus seinem Unterbewusstsein Dinge überlegt und dann auch in Taten umsetzt, die er aber in der Realität nicht so wollte. Dies wird ihm aber erst nach einem richtigen Nachdenken erst wieder nach einiger Zeit bewusst.
Doch dann ist es oft schon zu spät, dies wieder rückgänig zu machen.
Es sollte aber doch so sein, dass der Mensch dazu lernt und eben auch zu einer Reflexion von Buchinhalten fähig ist.
Auch Medien, wie Fernsehen, Videos und Computer mit ihren vielen Möglichkeiten laden heute zu einer Art von visueller Verführung ein.
Dahinter wird aber wieder ein ,psychischer Missbrauch` sichtbar und zwar in einer großen Vielschichtigkeit.
Die Menschen, welche mit Büchern umgehen, also Verleger, Buchhändler müssen in ihrem Urteilsvermögen in erster Linie so exakt werden, dass sie unterscheiden können, welche Bücher in die Buchhandlungen kommen.
Gewiss, es soll jetzt mit Büchern keine Zensur in dem Sinne stattfinden, was darf jetzt gedruckt werden und was nicht.
Ausschlaggebend sind besonders die ersten Infos über Neuerscheinungen der Verlage an die Buchhandlungen. Und zuvor liegt es an den Verlagen sich in die Manuskripte der Bücher einzulesen, die gedruckt werden sollen.
Und dazu muss alles über die jeweiligen Autoren/- innen beim Verlag da sein.
Wenn dann alles gut in den Verlagen läuft, dann wären eventuell schon Auslieferungen an die Buchhandlungen zu verhindern, weil ja schon die Lektoren der in Anführung heiklen Bücher gelesen haben.
Und dann kann ein Verlag in der Weise reagieren, dass so ein Buch schon gar nicht in den Buchhandel kommt.
Dies erfordert ein großes Fingerspitzengefühl in den Verlagen und bei allen, die sich dort mit den Texten auseinandersetzen, die eingehen und durchgesehen werden. Dies betrifft auch wieder Neuauflagen, wie dieses Buch von: ,Greene, Robert 24 Gesetze der Verführung`.
Jedenfalls ist unsere Gesellschaft auch aufmerksamer für solche Veröffentlichungen geworden, welche sich erst oft beim wiederholten Durchlesen als ein ,psychischer Missbrauch` zeigen.
Es kommt also darauf an, dass sich Buchhändler/- innen schon vor ihren Buchbestellungen an die Verlage schon früher mit den Neuerscheinungen befassen.
Verlage und Buchhandlungen tragen auch dazu bei, welches Bild der Kultur sich in den nächsten Jahren im übertragenen Sinn gestalten wird.
Es darf nicht sein, dass der ,psychische Missbrauch` weiterhin zunimmt und der Mensch in Abhängigkeiten kommt, die er real nicht möchte.
Harald Kraft