Adventskalender

"Aktiv Kaufimpulse auslösen!"

19. Juni 2024
von Börsenblatt

Ein Adventskalender für 100 Euro? Verkauft sich ohne Probleme, meint Bernd Herzog – wenn die Voraussetzungen stimmen. Welche das sind und wo der Buchhandel von anderen Branchen lernen kann, erzählt der Vertriebsleiter des frech-Verlags im Gespräch. Und von drei Meter langen Leporellos und Insta-Posts.

Bernd Herzog

Wir trauen der Kaufkraft unserer Zielgruppen zu wenig zu. Wir stellen fest, dass diese besonderen Adventskalender, sobald sie im Laden präsent sind, einen aktiven Kaufimpuls auslösen.

Bernd Herzog frech-Verlag

Das Produkt muss hochwertig sein

Beim Blick auf die Adventskalender für diesen Dezember fällt auf: Mutige Preise, Sie trauen sich was …
Adventskalender haben saisonal einen riesengroßen Aufschlag, in Supermärkten, Buchhandlungen, Baumärkten, Parfümerien, Gartencentern usw. Dabei zeigt sich, dass wir im Vergleich zu anderen Branchen viel zu klein daherkommen, wir trauen der Kaufkraft unserer Zielgruppen zu wenig zu. Was wir von anderen Branchen lernen können: Wenn das Produkt die Ansprüche der Zielkunden erfüllt, sind diese auch bereit, einen wesentlich höheren Preis zu zahlen., da gibt es Adventskalender für 100 und 200 Euro.

Welche Versprechen müssen diese hochpreisigen Kalender dann erfüllen?
Wertigkeit. Wenn ich das Gefühl habe, im Adventskalender habe ich Waren im Wert von 500 Euro und bezahle 200 Euro, ist das für viele Kunden ein positives Gefühl. Nicht wenige Kunden möchten auch gezielt hochwertige Adventskalender, weil sie diese als besondere Aufmerksamkeit verschenken. Dann soll dieser Kalender sich auch bewusst vom 7-Euro-Billig-Schoko-Adventskalender abheben. Der Kaufakt symbolisiert: "Das bist Du mir wert."

Wo holen Sie die Schenkenden und Beschenkten inhaltlich ab?
Wir überlegen, was die Menschen in ihrer Freizeit gerne machen – zum Beispiel rätseln, stricken, DIY, handarbeiten – und das sind ja unsere Kernthemen bei Topp. Die können wir in Adventskalenderformate transformieren. Und hinschauen, wo wir unterstützen können: Viele Mütter wollen zum Beispiel gerne die Wichtelbriefe selbst schreiben, aber sie haben nicht unbedingt jeden Tag Zeit. Und sie müssen sich auf die Suche nach schönem Wichtelbriefpapier machen, nach Ideen für die Streiche, Mehlspuren, eben allem, wodurch der Wichtel zu einer lebendigen Figur wird. Diese Ideen und Materialien packen wir unter anderem in unseren Wichtel-Adventskalender, bestes DIY.

Material zum Crime Files Adventskalender

Nicht den Endkunden die Entscheidung abnehmen

Welche Wünsche erfüllt denn der Adventskalender "Merry Strickmas", der mit 99,99 Euro der teuerste im Programm ist?
Unglaublich viele – das ist von der Aufmachung her schon eine hochwertige Box mit Schmuckschachteln, die ich später alle weiterverwenden kann. Und darin befindet sich ein Warenwert, der eigentlich einzeln 150 Euro kosten würde: Rollenmaßband, Maschenmarkierer, Rundstricknadeln, gutes hochwertiges Garn, Klappschere, Strickanleitung etc. – am Ende kommen eine Mütze und ein Schal heraus. Solche Projekte können wir nur umsetzen, wenn wir die Preisgrenze deutlich nach oben schieben.

Ich schätze, da haben viele Angst, sich zehn Kalender à 100 Euro aufs Lager zu legen …
Und das ist verschenkter Umsatz! Ich höre dann "Na, wenn jemand den Adventskalender unbedingt haben will, kann ich ihn ja bestellen …" Nur nehme ich dem Endkunden die Entscheidung schon vorher ab: Er wird diesen Kalender ja nicht im Laden sehen – wieso sollte er nach ihm fragen? Wir stellen fest, dass diese besonderen Adventskalender, sobald sie im Laden präsent sind, einen aktiven Kaufimpuls auslösen: 'Oh, sowas gab es noch nicht, den würde ich gerne meiner Freundin schenken, der ist hochwertig, besonders, damit überrasche ich sie!' In diesem Moment werden die 60 oder 90 Euro als angemessen betrachtet für das Produkt, das die Käufer sofort mitnehmen können.

Inhalt des "Merry Strickmas"-Adventskalender

Drei Meter langes Leporello und Insta-Posts

"Besonders" ist das Stichwort: Der Blick in die Adventskalender-Vorschau zeigt, dass Sie viel Neues ausprobieren – es reizt Sie offenbar zu überraschen?
Wir haben ja auch Bewährtes wie die 24 Days-Rätseladventskalender, aber ja, wir überlegen: Was gab es bisher noch nicht? Jedes Jahr dasselbe im Dezember ist ja langweilig. Also lassen wir Dinosaurier tageweise rausklopfen, produzieren ein drei Meter langes Leporello, wo ich mich durch den Orient-Express hindurchrätsele, gehen mit Sherlock Holmes ins Dreidimensionale, wodurch ganz andere Rätselmöglichkeiten entstehen, und mit den "Crime Files" ins Digitale.

Die "Crime Files" sind als Influencer-Challenge aufgezogen: Sie müssen dann als Verlag 24 Tage lang im Internet aktiv sein, auch am 24. Dezember?
Dieser Adventskalender mit der Fallakte einer fiktiv entführten Influencerin ist interaktiv: Auf deren Account wird es jeden Tag einen neuen Instagram-Beitrag geben, und man muss die Posts und die in der Schachtel liegenden Beweismittel detektivisch kombinieren. Unsere Produktentwickler haben eng mit der 4 Brain Games GmbH zusammengearbeitet und gemeinsam mit Autoren die Story entwickelt; es ist nicht so, dass wir einfach fremden Content einkaufen. Und die Posts können wir vorproduzieren, wir müssen also nicht am Morgen von Heiligabend schnell noch was posten …

Leporello zu "Jagd durch den Orient-Express"