Gut gelaunte, erwartungsfrohe Menschen, die in Gruppen beieinanderstanden und sich austauschten, hatten sich gegen 11 Uhr im Frankfurt Pavillion zur Eröffnungs-Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse 2022 versammelt. Viele Kamerateams und Fotografen, die sich in Stellung brachten, unterstrichen die Bedeutung für die Öffentlichkeit.
Weltweit größter Marktplatz für Bücher, der Start in den Leseherbst und ein bedeutendes Kulturereignis für die Völkerverständigung – das alles sei die Frankfurter Buchmesse, die morgen startet, sagte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins. "In einer Welt, in der zwischen politischen, kulturellen und ideologischen Haltungen immer tiefere Gräben entstehen, schafft die Buchmesse Raum für den friedlichen, demokratischen Austausch", so Schmidt-Friderichs. "Wir reden miteinander, hören einander zu." Die Buchbranche nehme ihren gesellschaftlichen Auftrag sehr ernst: "Verlage und Buchhandlungen wollen gerade in diesen unsicheren Zeiten eine umfassende Versorgung mit Literatur, Sach- und Fachinformationen gewährleisten." Bücher würden "Denktiefe" in eine Gesellschaft bringen. Es gebe einen Programmschwerpunkt Ukraine, aber auch russischen Dissidenten würden zu Wort kommen. Und Schmidt-Friderichs weiter: "Wir sollten auch andere Krisenherde nicht vergessen". Sie nannte Afghanistan und den Iran. Den Menschen dort, gerade den Frauen, zollte sie größten Respekt für ihre Demonstrationen gegen das Regime.
Gleichzeitig betonte sie, wie steigende Energiekosten, Ressourcenengpässe und eine spürbare Kaufzurückhaltung Verlage, Buchhandlungen und die Branchenlogistik erheblich unter Druck setzten. Buchhandlungen rechneten mit einem Anstieg der Energiekosten von bis zu 300 Prozent. Verlage, die schon im laufenden Jahr rund 50 Prozent mehr für Druck und Produktion ihrer Bücher bezahlen müssten, gingen von weiteren Steigerungen um 20 bis 30 Prozent im kommenden Jahr aus. Der Branche stehe, so Schmidt-Friderichs, ein frostiger Herbst und Winter bevor.
Wenig Frequenz in den Innenstädten, schlechtes Konsumklima: Dies beginne sich auch im Buchhandel niederzuschlagen. Der September war für den Buchmarkt der fünfte Monat mit Umsatzrückgängen in Folge. Nach neun Monaten liegt das Ergebnis in den zentralen Vertriebswegen laut Media Control um 2 Prozent unter dem eines normalen, also Nicht-Corona-Jahres wie 2019. Im Buchhandel vor Ort ist die Lücke deutlich größer: Hier beträgt der Umsatzrückstand zum Vor-Pandemie-Niveau nach drei Quartalen 8,7 Prozent.
Jetzt sei Unterstützung vonseiten der Politik gefragt, so Karin Schmidt-Friderichs. Denn nur wenn die Branche wirtschaftlich stabil sei, könne sie auch weiterhin zur inneren Stabilität der Gesellschaft beitragen. "Die Buchbranche hat sich in den letzten beiden Jahren als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen. Doch die instabile Welt- und Marktlage stellt sie vor neue große Herausforderungen. Die Branche braucht dringend ausgleichende Maßnahmen durch die Politik, damit sie ihrem gesellschaftlichen Auftrag weiterhin in gewohnter Weise nachkommen kann", sagte Schmidt-Friderichs.
Konkret fordert die Buchbranche:
- die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verlagsförderung schnell auf den Weg zu bringen,
- die Aktivitäten des Buchhandels für Kulturveranstaltungen und Leseförderung finanziell abzufedern,
- die von den EU-Finanzminister*innen eröffneten Mehrwertsteuerreduzierungen auszuschöpfen
- und insgesamt Entlastungspakete und Unternehmenshilfen so zu schnüren, dass auch krisengebeutelte Verlage und Buchhandlungen darauf zugreifen können.