Die neue Verlagsetage, die nun gemeinsam mit dem Instituto Cervantes in dem Geschäftsgebäude untergebracht ist, bietet etwa 20 Mitarbeiter:innen des Verlags Arbeitsplätze. Künftig werden auf der Fläche hauptsächlich Mitarbeiter:innen aus dem Bereich Literatur arbeiten, zudem wird es auch Platz für die Frankfurter Kolleg:innen geben, die in Zukunft häufiger in die Hauptstadt pendeln werden. Sie können sich dann an Arbeitsplätzen einbuchen und in dem Umfang arbeiten, den sie aus Frankfurt oder ihrem Homeoffice an einem anderen Ort kennen. Es sind freundliche, lichte Räume mit Erkern, die stilvoll möbliert sind und ausreichend Platz für Besprechungen oder Rückzug bieten.
Oliver Vogel machte in seiner kurzen Ansprache klar, dass S. Fischer nie Berlin verlassen habe. Zu jeder Zeit habe es einen Sitz an der Spree gegeben, bis 1934 sowieso (vor allem in der Bülowstraße 90), und auch nach dem Krieg. Von der Zeit der Wiedervereinigung bis heute war dann das Büro in der Neuen Grünstraße 17 der Verlagssitz in Berlin. In der Nachkriegszeit waren auch stets Literaturgrößen zu Gast, die sich im Gästebuch des Verlags verewigt haben, so etwa Ilse Aichinger, Elias Canetti und Carl Zuckmayer.
Die in Frankfurt mit Argwohn verfolgte Teilverlagerung entspringt aber nicht einer Laune, sondern ist sichtbarer Ausdruck der Verschiebungen, die Deutschland nach 1990 erlebt hat. Berlin ist nicht nur zum politischen Zentrum geworden, sondern auch zu einem kulturellen Magneten, der zu einer großen Präsenz von Schriftsteller:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen geführt hat. Dieses Potenzial auszuschöpfen, sei für große Verlage wie S. Fischer unausweichlich, meinte Carel Halff, CEO der Holtzbrinck Buchverlage, in einem Gespräch am Abend. Andere Verlage hätten ebenfalls ihre Aktivitäten in Berlin erhöht.
Sebastian Guggolz, der in Berlin Teamleiter für das Klassiker-Lektorat sein wird (und gleichzeitig seinen Verlag weiterführt), stellte in einem kurzen Vortrag eine literarische Wiederentdeckung vor: den 1926 erstmals veröffentlichten Roman „Ich?“ des Berliner Schriftstellers Peter Flamm, der mit bürgerlichem Namen Erich Mosse hieß und ein Neffe des bekannten Zeitungsverlegers Rudolf Mosse war. Es erzählt die Geschichte des aus dem Ersten Weltkrieg heimgekehrten Chirurgen Hans, dem alle Gewissheiten abhandengekommen sind – auch die der eigenen Identität - und den existenzielle Fragen umtreiben. Ein starkes, kraftvolles Buch, dessen Thematik viel mit unserer Gegenwart zu tun hat. Am 29. November wird es in einer neuen Ausgabe bei S. Fischer erscheinen.
Der Abend bei S. Fischer hat gezeigt, dass man mit dem neuen Verlagssitz auch eine Anlaufstelle für Autor:innen, Übersetzer:innen und andere Kreative geschaffen hat. Oliver Vogel und sein Team sind nun viel unmittelbarer am Puls der Literaturszene, als sie dies von Frankfurt aus hätten sein können.