Präzision im beobachteten Detail und Präzision in der sprachlichen Umsetzung je nach den Milieus, die er ausleuchtet, verschmelze Saša Stanišić in diesem Buch zudem mit einer intensiven Auseinandersetzung mit älteren und neueren literarischen Referenzen. "Darin ruft er wach, wie sehr ihn selbst die Literatur in die deutsche Sprache hineingesogen hat, nachdem er als junger Jugendlicher mit seiner Familie vor dem Krieg in Bosnien nach Heidelberg geflohen ist. Er verschmilzt aber auch Sphären, die nicht selbstverständlich zusammengehören, wenn er die Geschichte einer türkischen Reinigungskraft mit einer Novelle von Artur Schnitzler verschneidet oder sein eigenes fiktives Alter Ego mit Texten von Heinrich Heine ins Gespräch bringt. Das ist immer überraschend, manchmal auch geradezu postmodern gebrochen."
Sein Buch berge nichts weniger als die frühromantische Utopie: Das Dasein lässt sich durch Literatur in etwas anderes, besseres verwandeln. "Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder", so habe es der frühromantische Dichter Friedrich von Hardenberg, besser bekannt als Novalis, einst formuliert. "Das Werk Saša Stanišićs, das im Jahr 2024 mit dem Wilhelm Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet wird, ist der berückende Beweis dafür, dass dieses Credo noch immer den Glutkern von Poesie ausmachen kann."
Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.), Dr. Hanna Engelmeier (UdK Berlin), Thomas Geiger (Literaturvermittler), Samuel Hamen (freier Literaturkritiker), Prof. Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), David Hugendick (Die ZEIT und ZEIT ONLINE), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Julia Schöll (Institut für Germanistik, TU Braunschweig) und Dr. Wiebke Porombka (Deutschlandfunk).