Der wichtigste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, geht 2024 an den franko-algerischen Schriftsteller Kamel Daoud (54). Der Schriftsteller und Journalist erhält die Auszeichnung für seinen Roman "Houris", erschienen im Juni bei Éditions Gallimard. Das teilte die Jury der Académie Goncourt am 4. November mit. Der Preisträger wurde danach im ersten Wahlgang mit sechs Stimmen (von zehn) gewählt. Daoud wurde 1970 in Algerien geboren, lebt aber heute wegen seiner kritischen Stellungnahmen gegenüber dem nordafrikanischen Land in Paris. Im Jahr 2020 erhielt er die französische Staatsangehörigkeit.
"Mit 'Houris' krönte die Académie Goncourt ein Buch", wird Académie-Mitglied Philippe Claudel auf deren Website zitiert, "in dem Lyrik und Tragik miteinander wetteifern und das den mit einer dunklen Periode Algeriens verbundenen Leiden, insbesondere der Frauen, eine Stimme verleiht." Dieser Roman zeige, dass die Literatur mit ihrer großen Freiheit, die Realität zu untersuchen, und ihrer emotionalen Dichte neben der historischen Erzählung eines Volkes einen anderen Weg der Erinnerung beschreitet.
Die Auszeichnung ist zwar nur mit symbolischen 10 Euro dotiert, kurbelt aber regelmäßig die Verkaufszahlen an.
Éditions Gallimard fasst den Inhalt von "Houris" wie folgt zusammen: "Aube ist eine junge Algerierin, die sich an den Unabhängigkeitskrieg erinnern muss, den sie nicht miterlebt hat, und den Bürgerkrieg der 1990er Jahre vergessen muss, den sie selbst durchlebt hat. Ihre Tragödie ist auf ihren Körper gezeichnet: eine Narbe am Hals und zerstörte Stimmbänder. Sie ist stumm und träumt davon, ihre Stimme wiederzufinden. Ihre Geschichte kann sie nur der Tochter erzählen, die sie in ihrem Bauch trägt. Aber hat sie das Recht, das Kind zu behalten? Kann man das Leben schenken, wenn es einem fast entrissen wurde? In einem Land, das Gesetze verabschiedet hat, um jeden zu bestrafen, der an den Bürgerkrieg erinnert, beschließt Aube, in ihr Heimatdorf zu reisen, wo alles begann und wo die Toten ihr vielleicht antworten werden."
In der "Süddeutschen Zeitung" findet sich ein ausführliches Porträt von Kamel Daoud: "Eine Wohltat für Frankreichs geistigen Zustand" (online hinter der Zahlschranke) von Nils Minkmar. Das entscheidende demokratische und politische Kriterium für den Zustand einer Gesellschaft sei für Daoud nicht das Bruttosozialprodukt oder das Pro-Kopf-Einkommen, sondern die Freiheit der Frauen, schreibt Minkmar: "In 'Houris' begegnet er dem Frauenhass der Islamisten mit detailliertem Spott." Mit der Auszeichnung dieses mutigen Feministen habe die Académie "ein wichtiges Signal gegen europäische Verzagtheit gesetzt".
Daouds Buch darf in Algerien nicht veröffentlicht werden, ein Gesetz verbietet Werke über diese Epoche in der Geschichte des Landes, berichtet der "Spiegel".