Französischer Literaturpreis

Prix Goncourt 2024 an Kamel Daoud

5. November 2024
Matthias Glatthor

Der Prix Goncourt 2024 wurde im ersten Wahlgang mit sechs Stimmen an Kamel Daoud für seinen Roman "Houris" (Gallimard) verliehen. Darin thematisiert er den algerischen Bürgerkrieg in den 90er Jahren und seine Folgen. Update: Hier erscheint die deutsche Ausgabe.

Kamel Daoud, Prix-Goncourt, hält freudestrahlend seinen Roman "Houris" (éditions Gallimard) in die Höhe.

Kamel Daoud hält seinen Roman "Houris" (éditions Gallimard) in die Höhe. Gerade wurden Daoud der Prix Goncourt 2024 zuerkannt. 

Der wichtigste französische Literaturpreis, der Prix Goncourt, geht 2024 an den franko-algerischen Schriftsteller Kamel Daoud (54). Der Schriftsteller und Journalist erhält die Auszeichnung für seinen Roman "Houris". Das teilte die Jury am 4. November mit. Daoud wurde 1970 in Algerien geboren, lebt aber heute wegen seiner kritischen Stellungnahmen gegenüber dem nordafrikanischen Land in Paris. Im Jahr 2020 erhielt er die französische Staatsangehörigkeit.

"Mit 'Houris' krönte die Académie Goncourt ein Buch", heißt es auf deren Website, "in dem Lyrik und Tragik miteinander wetteifern und das den mit einer dunklen Periode Algeriens verbundenen Leiden, insbesondere der Frauen, eine Stimme verleiht." Dieser Roman zeige, dass die Literatur mit ihrer großen Freiheit, die Realität zu untersuchen, und ihrer emotionalen Dichte neben der historischen Erzählung eines Volkes einen anderen Weg der Erinnerung beschreitet.  Die Auszeichnung ist zwar nur mit symbolischen 10 Euro dotiert, kurbelt aber regelmäßig die Verkaufszahlen an.

Der Verlag Gallimard fasst den Inhalt von "Houris" wie folgt zusammen: "Aube ist eine junge Algerierin, die sich an den Unabhängigkeitskrieg erinnern muss, den sie nicht miterlebt hat, und den Bürgerkrieg der 1990er Jahre vergessen muss, den sie selbst durchlebt hat. Ihre Tragödie ist auf ihren Körper gezeichnet: eine Narbe am Hals und zerstörte Stimmbänder. Sie ist stumm und träumt davon, ihre Stimme wiederzufinden. Ihre Geschichte kann sie nur der Tochter erzählen, die sie in ihrem Bauch trägt. Aber hat sie das Recht, das Kind zu behalten? Kann man das Leben schenken, wenn es einem fast entrissen wurde? In einem Land, das Gesetze verabschiedet hat, um jeden zu bestrafen, der an den Bürgerkrieg erinnert, beschließt Aube, in ihr Heimatdorf zu reisen, wo alles begann und wo die Toten ihr vielleicht antworten werden."

In der "Süddeutschen Zeitung" findet sich ein ausführliches Porträt von Kamel Daoud: "Eine Wohltat für Frankreichs geistigen Zustand" (online hinter der Zahlschranke) von Nils Minkmar. Das entscheidende demokratische und politische Kriterium für den Zustand einer Gesellschaft sei für Daoud nicht das Bruttosozialprodukt oder das Pro-Kopf-Einkommen, sondern die Freiheit der Frauen, schreibt Minkmar: "In 'Houris' begegnet er dem Frauenhass der Islamisten mit detailliertem Spott." Mit der Auszeichnung dieses mutigen Feministen habe die Académie "ein wichtiges Signal gegen europäische Verzagtheit gesetzt".

Daouds Buch darf in Algerien nicht veröffentlicht werden, ein Gesetz verbietet Werke über diese Epoche in der Geschichte des Landes, berichtet der "Spiegel".

Update: Deutsche Ausgabe bei Matthes & Seitz Berlin

Die deutsche Ausgabe erscheint am 2. Oktober 2025 unter dem Titel "Huris" bei Matthes & Seitz Berlin, wie der Verlag auf Anfrage bestätigt. Übersetzt wird der Roman aus dem Französischen von Holger Fock. 

"Über den Prix Goncourt für Kamel Daoud freuen wir uns natürlich sehr – Daoud ist ein bedeutender Autor, das Buch ein wichtiges und gewichtiges; ein mutiger Text mit einem zutiefst humanistischen Ansatz, sprachlich virtuos und literarisch, der den Preis mehr als verdient hat und auch im deutschsprachigen Raum seine Leserinnen und Leser finden wird. Dazu kommt, dass der Prix Goncourt hierzulande traditionell sehr gut wahrgenommen wird, wie die aktuelle Berichterstattung bereits zeigt. Daher sind wir glücklich, den Roman im kommenden Herbst bei uns zu veröffentlichen", freut sich der Verlag.

Lieferbare Titel auf Deutsch:

Das erste Buch von Kamel Daoud in deutscher Übersetzung (von Sonja Finck) erschien 2012 im persona verlag und ist seither ununterbrochen lieferbar: Der Erzählband "Minotaurus 504". Bei Kiepenheuer & Witsch kam dann der Roman "Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung" (2017). Dafür hat er 2015 den Prix Goncourt für den besten Debütroman erhalten. Ebenfalls bei KiWi liegen vor: Der Roman "Zabor" (2019) und das Sachbuch "Meine Nacht im Picasso-Museum" (2020). Für "Der Schock – die Silvesternacht in Köln" (2016) hat Daoud einen Beitrag geliefert.