Deutscher Buchpreis 2022

Kim de l’Horizon gewinnt

17. Oktober 2022
Redaktion Börsenblatt

Um 18:45 Uhr gab die Jury ihre mit Spannung erwartete Wahl im Kaisersaal des Frankfurter Römer bekannt: Den mit 25.000 Euro dotierten Deutschen Buchpreis 2022 hat Kim de l’Horizon für "Blutbuch" (DuMont) erhalten. Kim de l'Horizon widmete den Preis den Frauen im Iran - mit einer überraschenden Performance. 

"Wie immer ist die Luft spannungsgeladen und der Adrenalin-Spiegel steigt", erklärte Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main, kurz nach 18 Uhr im voll besetzten Kaisersaal des Frankfurter Römer in ihrem Grußwort. Das spiegelte sich in den Gesichtern. Hartwig gratulierte allen Nominierten ganz herzlich. "Es so weit zu schaffen ist schon ein großer Erfolg."

Um 18:45 Uhr war es dann soweit: Karin Schmidt-Friderichs trat auf die Bühne und gab bekannt, dass Kim de l’Horizon mit dem Roman "Blutbuch" (DuMont) den Deutschen Buchpreis 2022 gewonnen hat.

Die Begründung der Jury: "Mit einer enormen kreativen Energie sucht die non-binäre Erzählfigur in Kim de l’Horizons Roman 'Blutbuch' nach einer eigenen Sprache. Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich den herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht? Fixpunkt des Erzählens ist die eigene Großmutter, die 'Großmeer' im Berndeutschen, in deren Ozean das Kind Kim zu ertrinken drohte und aus dem es sich jetzt schreibend freischwimmt. Die Romanform ist dabei in steter Bewegung. Jeder Sprachversuch, von der plastischen Szene bis zum essayartigen Memoir, entfaltet eine Dringlichkeit und literarische Innovationskraft, von der sich die Jury provozieren und begeistern ließ."

"Mit dem Deutschen Buchpreis wollen wir die Aufmerksamkeit der Leser:innen auf die Vielschichtigkeit der deutschsprachigen Literatur lenken. Er ist auch in diesem Jahr wieder eine Einladung, die Grenzen der eigenen Wahrnehmung zu erweitern, sich auch mit Literatur zu beschäftigen, die außerhalb des eigenen Fokus liegt und die dafür umso mehr inspiriert. Bestenfalls holen wir uns damit gegenseitig aus unseren Filterblasen heraus, bewegen uns und andere zum Nach-, Um- und Weiterdenken", so Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Sehen Sie hier die Performance von Kim de l'Horizon:

"Dieser Preis ist nicht nur für mich"

Nach vielen Umarmungen und Glückwünschen nach der Verkündung betritt Kim de l’Horizon strahlend die Bühne, doch sehr rasch spüren die Gäste, wie nah Freude, Trauer, emotionale Bewegung beieinanderliegen: "Wow! Ich habe keine Rede vorbereitet. Aber ich danke meiner Mutter und meiner Großmutter." Nach einer kurzen Pause beginnt Kim de l’Horizon Zeilen aus einem Lied des Musikers Kavinsky ("Nightcall") zu singen:

"There is something inside you, it’s hard to explain.
They’re talking about you, but you’re still the same."

Und das ist noch nicht alles. "Dieser Preis ist nicht nur für mich". Aus einer kleinen glitzernden Tasche nimm Kim de l’Horizon eine kleine Haarschneidemaschine und fährt damit durch die dunklen Locken. Die Büschel fallen auf den Boden, auf das Redepult. "Die Jury vergibt diesen Preis gegen den Hass, für die Liebe, für alle Menschen, die wegen ihres Körpers unterdrückt werden. Dieser Preis ist auch für die Frauen im Iran. Wie dumm war unser Weltbild? Weiblichkeit ist nicht nur im Westen emanzipiert". Das Publikum erhebt sich und applaudiert.

Video-Porträt von Kim de l’Horizon

Weitere Informationen und Lesungstermine von Kim de l’Horizon können abgerufen werden unter www.deutscher-buchpreis.de. Beim Preisträger:in-Gespräch mit der Börsenblatt-Redaktion werden auch Vertreter:innen des DuMont-Buchverlags dabei sein. (Freitag, 21. Oktober, 14 Uhr, Leseinsel unabhängiger Verlage in Halle 3.1 C 89)

Die Shortlist 2022:

Diese sechs Romane und Autor:innen standen auf der Shortlist 2022:

  • Fatma Aydemir: Dschinns (Carl Hanser)
  • Kristine Bilkau: Nebenan (Luchterhand)
  • Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter (Kiepenheuer & Witsch)
  • Jan Faktor: Trottel (Kiepenheuer & Witsch)
  • Kim de l’Horizon: Blutbuch (DuMont)
  • Eckhart Nickel: Spitzweg (Piper)

Kim de l‘Horizon erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalist:innen jeweils 2.500 Euro. Der Gewinnertitel wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben seit Ausschreibungsbeginn 233 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2021 und September 2022 erschienen sind. Aus diesen Romanen wurde eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt. Daraus hat die Jury sechs Titel für die Shortlist gewählt. 

Die Jury 2022:

Die Akademie Deutscher Buchpreis hat diese sieben Literaturexpert:innen in die Jury berufen:

  • Erich Klein (freier Kritiker, Wien)
  • Frank Menden (stories! Die Buchhandlung, Hamburg)
  • Uli Ormanns (Agnes Buchhandlung, Köln)
  • Isabelle Vonlanthen (Literaturhaus Zürich)
  • Selma Wels (Kuratorin und Moderatorin, Frankfurt)
  • Jan Wiele (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
  • Miriam Zeh (Deutschlandfunk Kultur)

Die Jurymitglieder entscheiden, wer den Deutschen Buchpreis 2022 erhält. Um eine größtmögliche Unabhängigkeit der Auszeichnung zu gewährleisten, wählt die Akademie Deutscher Buchpreis die Jury in jedem Jahr neu. Eine mehrmalige Jurymitgliedschaft ist möglich.

Mehr Informationen zu den diesjährigen Jurymitgliedern gibt es hier

Zum Deutschen Buchpreis

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels jährlich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen "Roman des Jahres" aus. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autor:innen, das Lesen und das Leitmedium Buch. 

Um größtmögliche Unabhängigkeit und Transparenz bei der Preisvergabe zu sichern, hat der Vorstand des Börsenvereins die elfköpfige Akademie Deutscher Buchpreis berufen, der Vertreter:innen der Buch- und Medienbranche angehören. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Wahl der jährlich wechselnden Jury, die den oder die Preisträger:in in mehreren Auswahlstufen ermittelt.

Der Deutsche Buchpreis, veranstaltet vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, wird von Partnern außerhalb der Branche unterstützt. Hauptförderer des Preises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.

Der Hashtag des Deutschen Buchpreises 2022 ist: #dbp22

Der Jahrgang 2022: Literaturblogger:innen präsentieren die Longlist

Unter dem Hashtag #buchpreisbloggen stellen 20 Literaturblogger:innen die nominierten Titel 2022 vor. Die Rezensionen werden unter www.deutscher-buchpreis.de/news veröffentlicht und über die Social-Media-Kanäle des Deutschen Buchpreises geteilt. Auf der Webseite und den Social-Media-Kanälen des Deutschen Buchpreises vermitteln zudem Videoporträts einen Eindruck von den nominierten Werken und ihren Autor:innen.