Heine-Preis 2022

Jurij Andruchowytsch ausgezeichnet

19. Oktober 2022
von Börsenblatt

Der ukrainische Lyriker, Schriftsteller und Übersetzer Jurij Andruchowytsch wird mit dem Heine-Preis ausgezeichnet. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert.

Jurij Andruchowytsch jubelt am Telefon

Der Heine-Preis  wird in diesem Dezember, an einem Termin rund um Heinrich Heines 225. Geburtstag (13. Dezember), in einem Festakt überreicht. Der genaue Termin des Festaktes wird noch bekannt gegeben.

Jurij Andruchowytsch wurde nach der Jury-telefonisch über die Auszeichnung informiert: "Ich fühle mich geehrt durch so viel Aufmerksamkeit aus Deutschland. Jetzt werde ich die Frankfurter Buchmesse als Heine-Preis-Träger besuchen", sagte Andruchowytsch auf Deutsch.

Jury-Begründung

Die Jury begründete ihr Votum wie folgt: "Den Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2022 erhält Jurij Andruchowytsch. Andruchowytsch, einer der führenden ukrainischen Romanciers, Lyriker und Essayisten unserer Zeit, schreibt über die Lage des Individuums in der mitteleuropäischen Geschichte und Gegenwart. Dabei übt er scharfe Kritik an Übergriffen von Geheimdiensten, Militär und Justiz. Der Sinn für Ironie und das Groteske kennzeichnen sein Werk in bester Heinescher Tradition. Dabei spielt er mit literarischen Formen und überschreitet die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Jurij Andruchowytsch setzt sich leidenschaftlich für den europäischen Gedanken ein und vertritt die Identität der Ukraine als Kulturnation. Er erinnert Europa daran, dass Freiheit und Menschenrechte in der Ukraine in vorderster Linie verteidigt werden."

Preisträger Jurij Andruchowytsch

Jurij Andruchowytsch wurde am 13. März 1960 in Stanyslawiw (Stanislau; seit 1962 umbenannt in Iwano-Frankiwsk) in der Westukraine geboren. Das Journalismus-Studium am Lemberger Polygraphischen Institut schloss er 1982 ab und leistete von 1983 bis 1984 seinen Wehrdienst. Von 1989 bis 1991 besuchte er Literaturkurse am Maxim-Gorki-Institut in Moskau und legte 1994 seine Dissertation über den ukrainischen Nationaldichter Bohdan-Ihor Antonytsch vor.

Jurij Andruchowytsch gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller und Intellektuellen der postsowjetischen Ukraine, der mit seinen international publizierten Werken der ukrainischen Sprache eine neue, moderne Qualität verlieh und sich mit seinen Beiträgen und Aktionen auch gesellschaftspolitisch positionierte.

Bekannt wurde Jurij Andruchowytsch auch für seine Essays, mit denen er sich als kritischer Beobachter zu Wort meldete

Seit dem Ende der Sowjetunion und vor allem während der "orangenen Revolution" positionierte sich Jurij Andruchowytsch als entschiedener Befürworter einer Anbindung der Ukraine an Europa. Unter dem Eindruck der Annexion der Krim durch Russland im März 2014 und des blutigen Bürgerkriegs zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten im Donbas gab Jurij Andruchowytsch noch 2014 den Sammelband "Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht" heraus.

Übersetzer aus dem Deutschen

Auch als Übersetzer deutscher, polnischer, russischer und englischer Literatur tritt Jurij Andruchowytsch in Erscheinung. Unter anderem übersetzte er Gedichte von Rainer Maria Rilke, Prosa von Robert Walser und Boris L. Pasternak oder Shakespeares "Hamlet" und "Romeo und Julia" ins Ukrainische. Eine enge Verbindung zu Deutschland entstand im Rahmen mehrerer Studienaufenthalte, unter anderem 1992 und 2001 im Künstlerhaus Alberta bei München sowie 2005 beim Künstlerprogramm des DAAD in Berlin. 2014 übernahm er die Siegfried-Unseld-Professur für Slawistik und mitteleuropäische Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2006 ist er zudem korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Vielfach ausgezeichnet

Für sein Schaffen wurde Jurij Andruchowytsch bereits mehrfach ausgezeichnet. So wurde ihm unter anderem 2001 der Herder-Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung verliehen, 2005 erhielt er den Sonderpreis des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises der Stadt Osnabrück und 2006 wurde er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Im gleichen Jahr folgte der Mitteleuropäische Literaturpreis Angelus der polnischen Stadt Wroclaw. 2014 erhielt Jurij Andruchowytsch den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und im Jahr 2016 die Goethe-Medaille des Goethe-Instituts.

Bücher von Jurij Andruchowytsch

Unter anderem sind folgende Bücher von Jurij Andruchowytsch erschienen: "Nebo i ploschtschi" (1985), "Lysty v Ukrainu" (1993), "Werwolf Sutra" (2009), "Sliva, de sertse" (1989), "Samijlo z Nemyrova, prekrasnyj rozbyschaka" (1991), "Desorijentazija na miszewosti" (1999; deutsch 2003, "Das letzte Territorium"), "Moja Europa" (2000), "Rekreaziji" (1992; deutsch 2019, "Karpatenkarneval") sowie "Dvanadcat' obrutschiw" (2003; deutsch 2005, "Zwölf Ringe").

Der Heine-Preis-Jury 2022 gehörten an

als Vertreter der Landeshauptstadt Düsseldorf:

  • Stephan Keller (Oberbürgermeister/Vorsitzender der Jury),
  • Miriam Koch (Dezernentin für Kultur und Integration),
  • Sabine Brenner-Wilczek (Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts),

und neben Jurymitglieder der politischen Fraktionen als Fachjuroren:

  • Traudl Bünger,
  • Reinhard Gorenflos,
  • Wolfgang Trautwein,
  • Sabine Bierwirth,
  • Anne Bohnenkamp-Renken,
  • Jo Lendle,

als entsandte Mitglieder:

  • Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität),
  • Felix Droste (Verleger, 1. Vorsitzender der Heine-Gesellschaft).

 

Heine-Preis - bisherige Preisträger

Der Preis, den Düsseldorf zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wird zum 22. Mal vergeben. Die Heine-Preisträger der Vorjahre sind: Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016),  Leoluca Orlando (2018) und Rachel Salamander (2020).

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Der Preis, den Düsseldorf zu Ehren des 1797 geborenen Heinrich Heine gestiftet hat, wird zum 22. Mal vergeben. Die Heine-Preisträger der Vorjahre sind: Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014), A. L. Kennedy (2016),  Leoluca Orlando (2018) und Rachel Salamander (2020).