Schiller-Gedächtnis-Preis 2022

Julia Franck geehrt

14. Oktober 2022
Redaktion Börsenblatt

Die Berliner Autorin Julia Franck erhält den mit 25.000 Euro dotierten Schiller-Gedächtnis-Preis 2022. Sie verstehe es, "mit dem Vexierspiel von Erfahrung und Erfindung einen ganz eigenen poetischen Raum zu schaffen", urteilte die Jury.

Der Preis ist die bedeutendste literarische Auszeichnung Baden-Württembergs und gilt als einer der wichtigsten Literaturpreise in Deutschland. "Flucht und Verfolgung, Krieg und seine Folgen sind in unserer unmittelbaren Nähe wieder erschreckend gegenwärtig geworden. Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig es ist, dass Autorinnen wie Julia Franck die Erinnerung wach halten an die Geschichte und den literarischen Bogen in die Gegenwart schaffen zu den aktuellen Debatten um Identität und Herkunft", sagte Kunstministerin Petra Olschowski bei der Bekanntgabe der Ehrenpreisträgerin. "Julia Franck ist eine Meisterin der Autofiktion in deutscher Sprache. Sie beschreibt generationsübergreifend Schicksale zwischen Ost- und Westdeutschland und trifft dabei einen Ton, der berührt und bewegt."

"Julia Franck versteht es, mit dem Vexierspiel von Erfahrung und Erfindung einen ganz eigenen poetischen Raum zu schaffen, der sich zugleich mit der politischen Geschichte und Gegenwart verschränkt", begründet die Jury die Vergabe des Ehrenpreises. "Mit großer erzählerischer Dynamik und sprachschöpferischer Qualität behandelt sie kontroverse Themen wie die Flucht aus Ostdeutschland, prekäre Familienverhältnisse und das Widerständige in der Kunst, im Schreiben."

Julia Franck wurde 1970 in Ost-Berlin geboren. 1978 wurde ein Ausreiseantrag der Mutter bewilligt und die Familie lebte neun Monate im Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde. Die Autorin studierte Altamerikanistik, Philosophie und Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Auf ihren Debütroman "Der neue Koch" (1997) folgte der Roman "Liebediener" (1999). Der Erzählband "Bauchlandung" (2000) enthält die Kurzgeschichte "mir nichts dir nichts", mit der sie zum Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt eingeladen wurde und den 3sat-Preis gewann. Seit der Erzählung "Streuselschnecke" (2000) und dem Roman "Lagerfeuer" (2003) setzt sich Julia Franck mit der deutsch-deutschen Vergangenheit auseinander, der familiären und eigenen Biographie. Das Jahr 2005 verbrachte sie in der Villa Massimo in Rom als Stipendiatin. Für ihren Roman "Die Mittagsfrau", der in 40 Sprachen übersetzt wurde, erhielt Julia Franck 2007 den Deutschen Buchpreis. Nach "Rücken an Rücken" (2011) erschien im Jahr 2021 "Welten auseinander". Das Buch gelangte auf Platz 1 der Südwestrundfunk(SWR)-Bestenliste. "Die Mittagsfrau" wurde in diesem Jahr von der Regisseurin Barbara Albert verfilmt und kommt 2023 ins Kino.

Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Ein unabhängiges Preisgericht hat die Autorin ausgewählt. Die Preisfeier wird am 11. November 2022 erstmals in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach ausgerichtet. 

Förderpreise an Ewe Benbenek und Anne Haug

Die mit jeweils 7.500 Euro dotierten Förderpreise gehen an die Nachwuchsdramatikerinnen Ewe Benbenek und Anne Haug. In ihrem Debut "Tragödienbastard" beschreibt Ewe Benbenek das Ankommen und Aufwachsen eines Migrantenkindes, das wegen der Sprachbarrieren und des sozialen Hintergrunds auf Unverständnis und Intoleranz in der deutschen Gesellschaft stößt. Die Autorin Anne Haug schildert in ihrem Stück "MILF" den Umgang mit tradierten Rollenverteilungen in der Familie und dem Versuch, aus der abstrus erscheinenden Mutterrolle auszubrechen.

Schiller-Gedächtnis-Preis

Der Schiller-Gedächtnis-Preis wurde 1955, drei Jahre nach der Landesgründung, als Zeichen des Andenkens an Friedrich Schiller zu dessen 150. Todestag gestiftet. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem Max Frisch, Christa Wolf, Friedrich Dürrenmatt, Käte Hamburger, Peter Handke, Botho Strauß und Rainald Goetz und zuletzt Nino Haratischwili.