Eingepackt in Kohlepapier

"Holy Smoke" erhält den Preis der Stiftung Buchkunst 2024

6. September 2024
von Matthias Glatthor

Das von Kaj Lehmann gestaltete "Holy Smoke" (Hirmer) über die Gefäße, in denen kultischer Rauch zubereitet wird, macht die Verpackung zur Metapher. Für das "Ergebnis handwerklicher Meisterschaft", so die Jury, wurde das Buch in diesem Jahr mit dem Preis der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.

Freitagabend in Frankfurt, ein sonniger Spätsommertag, die Touristen tummelten sich auf dem Weg vom Römer über den Eisernen Steg auf die andere Seite des Mains zum Museum Angewandte Kunst. Dort wurde am 6. September, pünktlich ab 19 Uhr mit zahlreichen Gästen der Preis der Stiftung Buchkunst 2024 verliehen. "Chapeau!", sagte Joachim Unseld, Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Buchkunst, angesichts der verdienstvollen Arbeit der Jurys bei der der Bestimmung der Schönsten deutschen Bücher 2024. Das erste Viertel des Jahrhunderts sei Geschichte, und die Welt zeigte sich nicht von der besten Seite. Das gebe einiges zu denken. Wichtig sei es, für die Demokratie einzutreten.

Mit Birte Kreft habe die Stiftung Buchkunst seit dem vergangenen Jahr eine neue Geschäftsführerin. Angestrebtes Ziel sei es, so Unseld, die Stiftung auf eine neue Zeit auszurichten. Er hob den aktuellen Boom der Farbschnitt-Ausgaben hervor, freut sich, dass gerade junge Menschen wieder Bücher kaufen, findet, dass das schön gestaltete Buch seine ausgezeichnete Rolle behält. "Das Medium Buch ist nicht kaputt zu kriegen." Und Unseld betonte: Die Einsender zum Wettbewerb sind "unser Pfund, und ich freue mich, dass das Pfund immer wieder zum Kilo wird". So auch an diesem schönen Abend im Museum Angewandte Kunst. 

Dann trat Birte Kreft ans Pult, es war ihre erste Preisverleihung als neue Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst, und stellte zunächst den Katalog (mehr dazu unten) vor, bzw. bat Pit Stenkhoff vom Berliner Büro Neue Gestaltung nach vorn, das den Katalog 2024 gestaltet hat, die Idee dahinter zu erläutern. Anschließend wurden 28 Bücher geehrt, die drei Förderpreise (je 2.000 Euro Preisgeld) und die 25 Schönsten Deutschen Bücher 2024. Alle wurden von Kreft anhand der Jury-Urteile mit viel Charme charakterisiert und dann die fast komplett anwesenden Prämierten nach vorn gerufen, um ihre Urkunden zu empfangen. Alle 25 Bücher lagen aus, konnten später in die Hand genommen und eingehend betrachtet werden. 

Dann wurde es noch einmal richtig spannend im Saal, denn eine Frage war noch offen: Welches von den 25 Schönsten deutschen Büchern erhält den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Stiftung Buchkunst 2024?

Gruppenbild der Prämierten 2024

"Ja, Ja, Ja!"

Auch als Laudator Markus Klose (Jurymitglied und Inhaber von Die Gute Agentur, Frankfurt am Main) seine kunstvolle, erheiternde Rede begann, war die Antwort noch nicht gegeben. Klose entwickelte drei Szenarien über Entscheidungswege für ein Buchprojekt in Verlagen, einmal 1929, wo es allein der Verleger den Daumen nach oben richtete, dann heutzutage markt- und kostenorientiert mit vielen Beteiligten von Herstellung bis Presse, die er alle zu Wort kommen ließ, und schließlich in einem der prämierten Verlage. Langsam setzte der Aha-Effekt ein, ging es doch um ein Buch über "Weihrauch". Bis schließlich der Titel in Kloses fiktiver Programmkonferenz des Verlags fiel: "Holy Shit ... Holy Smoke, we did it."  Damit war klar: "Holy Smoke. Censers Across Cultures", gestaltet von Kaj Lehmann, aus dem Hirmer Verlag erhält den mit 10.000 Euro dotierten Preis der Stiftung Buchkunst 2024. 

Dieses Buch ist eine Lustbarkeit, ein Buch, das Ludwig XV. auf seinem berühmten Sekretär im Schloss Versailles hätte platzieren können. Es ist pure Freude, es zu durchblättern, es zu bestaunen, hineinzulesen in eine so unbekannte und gleichermaßen faszinierende Welt. Es ist ein Werk der Unvernunft, splendide, unique, mutig. 'Holy Smoke' ist das Ergebnis handwerklicher Meisterschaft

Laudatio von Markus Klose, Mitglied der diesjährigen Jury

Auf dem Cover des Katalogs der Schönsten deutschen Bücher 2024 ist "Ja, Ja, Ja!" geschrieben. Warum? Diese drei Worte stehen auf dem Bewertungsbogen der Jury für das Buch des Hirmer Verlags, fügte Klose noch an.

Zum Buch:

Mit einer leuchtorange glühenden Banderole, die das in Kohlepapier eingeschlagene Buch umringt, macht "Holy Smoke" die Verpackung zur Metapher, heißt es in der Beschreibung der Stiftung Buchkunst. Man entfernt die Banderole und befreit den Band vom flatternden Durchschlagpapier. Während dieser Prozedur legt sich die Schwärze auf die Finger und man selbst hinterlässt seine Spuren auf dem grauen Einbandgewebe des druckfrischen Werks. Auf diese Weise wird es zum Unikat. Kultischer Rauch ist Träger von Botschaften des Menschen an höhere Instanzen. Thema des Buches sind die Gefäße seiner Zubereitung und ihre Rolle in verschiedenen Religionen und Epochen.

"Holy Smoke" sei ein Statement, hatte Markus Klose in seiner Laudatio konstatiert, "was ein Buch kann und darf."

Bibliografische Angaben:

Beate Fricke
Holy Smoke: Censers Across Cultures
Hirmer Verlag, München
Gestaltung: Kaj Lehmann
Reproduktion: Reproline Mediateam, Unterföhring
Herstellung: Zumrad Ilyasova, Rainer Arnold
Druck: Druckerei Vogl, Zorneding
Bindung: Buchbinderei Terbeck, Coesfeld
Konfektionierung: CP Chronos Papertime Druck- und Papierweiterverarbeitung, München
ISBN 978-3-7774-3948-8 | Preis: 49,90 Euro

"Wir wollen Bücher machen, die Spaß machen"

Die Urkunde nahm die sichtlich glückliche Hirmer-Verlegerin Kerstin Ludolph im Museum Angewandte Kunst entgegen ("ein ungeheuer aufregender Moment"). Es sei Premiere für den Hirmer Verlag, dass man solch eine Auszeichnung bekomme. "Wir wollen Bücher machen, die Spaß machen, ihre Laudatio hat mir Spaß gemacht", dankte sie Markus Klose für seine Worte. "Wir wollten jedem Buch den Kohle-Fingerabdruck verpassen." Ziel von Hirmer sei es, Bücher gegenwärtig zu machen, und "das verführerische Element ist uns absolut wichtig". "Holy Smoke" behandle ein uraltes Thema und sei gleichzeitig High-Tech, was die Umsetzung betrifft. Und es sei herausfordernd mit dem Buch, so Ludolph, die eine kleine Anekdote schilderte: So hätte eine Bücherei das Buch dreimal bestellt und beim dritten Mal darum gebeten, "schickt uns das Buch ohne Kohlepapier, damit es sauber bleibt". 

682 Exemplare von "Holy Smoke" wurden gedruckt, wenn man noch eines haben möchte, muss man schnell sein. Gut die Hälfte sei schon verkauft, wusste die Verlegerin. 

Ein inspirierendes Beispiel

"Mit dem Preis der Stiftung Buchkunst sollen mutige Entscheidungen in der Gestaltung und Herstellung gewürdigt werden", so Birte Kreft, Geschäftsführerin der Stiftung Buchkunst. "Holy Smoke" sei dies wunderbar gelungen: "Die besondere Verpackung des Buches über religiöses Räucherwerk führt die Leser:innen bereits mit rauchigen Händen zum Inhalt. Ein inspirierendes Beispiel dafür, was mit guten Ideen in der Buchproduktion möglich ist."

Darüber hinaus würdigte die Stiftung Buchkunst auch die Prämierten des Förderpreises für junge Buchgestaltung. Die mit je 2.000 Euro dotierten Preise gingen an drei Titel, die das Medium Buch weiterdenken. Ausgezeichnet wurden Anja Dietmann mit Jonas Beuchert ("Umsatzübersicht"), Elfi Handina Murandu ("A Book about Hair") sowie Johanna Behrens ("Wölfinnen").

Der Abend im Museum Angewandte Kunst klang mit Getränken, Snacks und Gesprächen aus – wobei sich etliche Gruppen bei warmen Wetter vorm Gebäude niedergelassen hatten.

Der Katalog 2024

Katalog der "Schönsten Deutschen Bücher 2024"

Zudem wurde der festliche Anlass dazu genutzt, den jährlich erscheinenden Katalog der "Schönsten Deutschen Bücher 2024" erstmalig zu präsentieren, den das Team von Neue Gestaltung (neuegestaltung.de) aus Berlin gestaltet und umgesetzt hat. Vorbestellung in der lokalen Lieblingsbuchhandlung via ISBN 978-3-9822108-3-4.

Die prämierten Bücher werden ab sofort auf große Wanderausstellung gehen und an zahlreichen Orten im In- und Ausland zu sehen sein. Den Start machen zum Beispiel der ShopPopulaire im PalaisPopulaire in Berlin, die Bücherhallen Hamburg, die Karl Krämer Fachbuchhandlung in Stuttgart, die Altstädter Bücherstuben in Osnabrück und die Stadtbibliothek Bilke in Pößneck. Auch die Kooperation mit dem Literaturhaus Frankfurt wird fortgeführt: Die 25 prämierten Bücher sind das ganze Jahr über im Foyer des Hauses zu sehen.

Eine Übersicht aller Ausstellungsorte finden Sie HIER.