Internationaler Literaturpreis

Fatima Daas und Sina de Malafosse prämiert

1. Juli 2021
Redaktion Börsenblatt

Fatima Daas, Tochter algerischer Einwanderer in Frankreich, und ihre Übersetzerin Sina de Malafosse sind für den Roman "Die jüngste Tochter" (Claassen, 2021) mit dem Internationalen Literaturpreis 2021 für übersetzte Gegenwartsliteraturen ausgezeichnet worden.

"Unerschrockenheit und verletzliche Offenheit"

Das teilte das Berliner Haus der Kulturen mit, das den Internationalen Literaturpreis zusammen mit der Stiftung Elementarteilchen vergibt. Die virtuelle Preisverleihung fand am 30. Juni statt. Ausgezeichnet werden Gegenwartsliteraturen in deutscher Erstübersetzung – 20.000 Euro gehen jeweils an die Autor*innen, 15.000 Euro an die Übersetzer*innen. In diesem Jahr an die Autorin Fatima Daas und ihre Übersetzerin Sina de Malafosse. Für die Nominierung zur Shortlist (siehe Börsenblatt online: "Das ist die Shortlist des Internationalen Literaturpreises") erhalten alle anderen Autor*innen und Übersetzer*innen jeweils 1.000 Euro.

In der Jury-Begründung für Fatima Daas heißt es: "Jedes Wort dieses autofiktionalen Romandebüts zeugt von der Unerschrockenheit und verletzlichen Offenheit der Erzählerin, die als Tochter algerischer Einwanderer in Clichy-sous-Bois aufwächst. Der Roman schildert die Suche nach einer Identität, in der eine junge Frau dem Islam näherkommen und sich von sexuellen Rollenzuschreibungen lösen kann, ohne das eine gegen das andere verteidigen zu müssen. Fatima Daas Worte sind so präzise und kraftvoll gesetzt, weil sie weiß, dass sie ihrer Worte bedarf, um eine Welt zu entwerfen, in der sie leben will. Und sie erzählt von dieser Welt unerhört zeitgemäß und in aller Selbstverständlichkeit und Spannbreite auf Traditionen der arabischsprachigen Literaturen bezogen. Die Rhythmik, die Wiederholungen, die magischen Aufladungen einzelner Worte lässt die Surenstruktur des Korans, arabische Gegenwartslyrik und Rap anklingen."

"Sie lässt Worte in ihrer Vieldeutigkeit funkeln"

Und über die Übersetzerin urteilt die Jury: "Sina de Malafosse schafft es, in ihrer Übersetzung Präzision und Sprachspiel zu gleichen Teilen zu bewahren, mehr noch, sie erlaubt einen einmaligen Einblick in die Heteroglossie eines lebendigen Französisch, sie lässt Worte in ihrer Vieldeutigkeit funkeln, ohne dass sich ihr Sinn in endlosem Spiel verlöre, ohne dass der Erzählerin je die Kontrolle entzogen würde, über all das, was sie sagen will."

Bernd Scherer, Intendant Haus der Kulturen der Welt, ergänzt: "Beim diesjährigen Internationalen Literaturpreis feiern wir die Literatur als einen Ort, an dem das Leben in seinen Ambivalenzen, Widersprüchen und Grauzonen erfahrbar wird. Gerade in Zeiten, die durch den Megatrend der digitalen Logik des Binären geprägt sind, benötigen wir dringend diese Orte, die im Zwischenbereich von 0 und 1 angesiedelt sind."

Zu den Preisträgerinnen

Fatima Daas, geboren 1995, studierte Literarisches Schreiben an der Üniversität Paris VIII. Ihr erster Roman, "La petite dernière" (dt.: "Die jüngste Tochter"), erhielt 2020 den Prix Les Inrockuptibles für das beste Debüt und wird in mehrere Sprachen übersetzt.

Sina de Malafosse, geboren 1984, studierte Romanistik und Komparatistik in Mainz und Dijon. Nach verschiedenen Stationen im Verlagswesen übersetzt sie seit 2015 aus dem Französischen, u. a. Adeline Dieudonné, Pauline Delabroy-Allard und Violette Leduc. Sie lebt in Toulouse.

Die Jury

Der Jury gehören in diesem Jahr Robin Detje, Heike Geißler, Michael Götting, Dominique Haensell, Verena Lueken, Annika Reich und Elisabeth Ruge an.

Der Internationale Literaturpreis für übersetzte Gegenwartsliteraturen wird verliehen vom Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen.

Weitere Informationen auf hkw.de/literaturpreis