Erste Plätze an Pflüger und Kestrel
Die beiden Suhrkamp-Autoren Andreas Pflüger und James Kestrel belegen mit ihren Thrillern jeweils Platz 1 beim Deutschen Krimipreis 2023 – in der Kategorie national bzw. international.
Die beiden Suhrkamp-Autoren Andreas Pflüger und James Kestrel belegen mit ihren Thrillern jeweils Platz 1 beim Deutschen Krimipreis 2023 – in der Kategorie national bzw. international.
Der undotierte Deutsche Krimipreis wurde nunmehr zum 40. Mal verliehen, teilt das Bochumer KrimiArchiv mit. Mit der Auszeichnung in den Kategorien national und international werden seit 1985 jährlich Autorinnen und Autoren für Romane gewürdigt, in denen sie dem Genre literarisch gekonnt und inhaltlich originell neue Impulse geben.
Eine Jury aus führenden Krimi-Kritiker:innen und Krimi-Buchhändler:innen hat die Neuerscheinungen des Jahres 2023 kritisch und unabhängig geprüft – und die Preisträger:innen ausgewählt.
Kategorie National:
1. Platz: Andreas Pflüger: "Wie Sterben geht" (Suhrkamp)
2. Platz: Monika Geier: "Antoniusfeuer" (Ariadne/Argument)
3. Platz: Kim Koplin: "Die Guten und die Toten" (Suhrkamp) I
Kategorie International:
1. Platz: James Kestrel: "Fünf Winter" (Suhrkamp) deutsch von Stefan Lux
2. Platz: Megan Abbott: "Aus der Balance" (Pulp Master) deutsch von Karen Gerwig und Angelika Müller
3. Platz: Dennis Lehane: "Sekunden der Gnade" (Diogenes) deutsch von Malte Krutzsch
Eine öffentliche Preisverleihung findet auch in diesem Jahr nicht statt.
Die Jury setzt sich wie folgt zusammen:
Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (Kulturjournalist) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan Christian Schmidt (kaliber38.de) / Joachim Schneider-Sacotte (Kritiker) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker).
Die Kritiker:innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem ausdrücklich nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.
Kategorie "National":
1. Platz: Andreas Pflüger: "Wie Sterben geht" (Suhrkamp) Winter 1983. Auf der Glienicker Brücke ist alles bereit für den spektakulärsten Agentenaustausch der Geschichte. KGB-Offizier Rem Kukura – Deckname Pilger – soll gegen den Sohn eines Politbüromitglieds ausgetauscht werden. Mittendrin: Nina Winter, die Kukura als Einzige identifizieren kann. Doch auf der Brücke wird Nina in ein Inferno gerissen, und das Schicksal von ihr und Rem wird zu einer Frage von Krieg und Frieden zwischen den Supermächten. "So wie John le Carré in seinen Romanen zum erzählenden Kritiker der britischen Geheimdienste wurde, ist Andreas Pflüger zum Erzähler des deutschen Geheimdienstwesens geworden. Sechs Romane hat er bisher verfasst. […] Als Pflüger 2022 mit der Sprengung der Glienicker Brücke Nina buchstäblich ins kalte Wasser des Wannsees warf, hatte er drei Jahre lang keine Action mehr geschrieben. 'Ich wusste nicht, ob ich das noch konnte.' Nun, er kann, und wie. 'Wie Sterben geht' ist Andreas Pflügers bester Roman geworden: ausgetüftelte Action, lakonischer Witz, lyrisch verdichtete Sprache, teuflisch überraschender Plot – Spannung hoch drei." Tobias Gohlis, Die Zeit
2. Platz: Monika Geier: "Antoniusfeuer" (Ariadne/Argument) Kriminalkommissarin Bettina Boll ist Ärgernisse gewöhnt, doch der jüngste Streich ihrer Dienststelle schmeckt bitter. Ein Tod im Jugendknast muss untersucht werden, die Behörden fürchten einen Skandal, und nun soll Bettina für ihren neuen Chef die Kohlen aus dem Feuer holen und einem Kollegen dazwischenfunken. Überdies erweist sich der Fall als ausnehmend verschroben. Gibt es wirklich katholische Dorf-Aktivisten, die Dämonen austreiben? Und was hat das berühmte Isenheimer Altarbild voller bunter Bestien damit zu tun? "Es ist ein feines Gespinst, das Monika Geier in Antoniusfeuer errichtet, es wird zusammengehalten von den Ermittlungen und verbunden durch wiederkehrende Themen wie Vertrauen, Vorurteile, Verdrängung, aber auch verschiedene Arten von Gewalt und Missbrauch. In Antoniusfeuer ist sehr klar, dass jeglicher Glaube etwas Gutes haben kann – aber auch Schattenseiten hat, die überhandnehmen können. Bei alledem muss auch Bettina Boll darum kämpfen, ihren Glauben an die Menschlichkeit zu bewahren. Denn Dämonen findet man nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in der Vergangenheit oder in der eigenen Familie." Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur.
3. Platz: Kim Koplin: "Die Guten und die Toten" (Suhrkamp) Saad und seine kleine Tochter Leila leben unterm Radar in Berlin. Saad verdient sein Geld als Wächter in einem Charlottenburger Parkhaus, aus gutem Grund in der Nachtschicht. In diesem Parkhaus steht auch der Luxusschlitten des Staatssekretärs Brasch, der mit dem Waffenhändler Müller und undurchsichtigen Saudis fiese Geschäfte macht. Als Brasch betrunken und zugekokst einen Verkehrsunfall baut und man zu seiner Überraschung eine Leiche in seinem Kofferraum findet, ist das ein Fall für die junge Kriminalkommissarin Nihal Khigarian "[W]orüber reden wir hier eigentlich? Allemal über einen überkandidelten, diversen, dazu politischen Thriller. Zwar hält sich Kim Koplin nicht groß mit Milieuschilderungen auf, doch hat man die Figuren auch so vor Augen, vor allem dank der den Sound der Straße und des Alltags ebenso wie den Sound der Politik abbildenden Dialoge. 'Wer schneller ist!, ruft Leila. – Okay, ich zähle bis drei. Eins … Da ist Leila schon los.' Und auch Kim Koplin, wer auch immer sie ist, ist an jedem Satzende schon wieder los zu neuen Ufern, neuen unerhörten Ereignissen." Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau
Kategorie "International":
1. Platz: James Kestrel: "Fünf Winter" (Suhrkamp). Dezember 1941: Joe McGrady, Detective beim Honolulu PD, wird mit der Untersuchung eines Falls beauftragt, der sein Leben für immer verändern wird: dem Mord an dem Neffen des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte und dessen Freundin, einer jungen Japanerin. McGrady folgt einem Verdächtigen bis nach Hongkong, das gerade von den Japanern eingenommen wird. Er wird als Gefangener nach Japan verschleppt, als potenzieller Spion droht ihm der Tod. Gerettet wird er von dem Diplomaten Takahashi Kansei, der heimlich gegen die offizielle japanische Kriegspolitik arbeitet. Takahashi und seine Tochter Suchi verstecken McGrady bis zur Kapitulation Japans. McGrady kehrt nach Hawaii zurück und beginnt, nach nunmehr fünf Wintern und jetzt als Privatdetektiv, den alten Fall wiederaufzunehmen. "[…] Fünf Winter ist filmisch, hat eine Nähe zum Film Noir. ("Haben Sie schon mal versucht, sich von einer Frau scheiden zu lassen, die Sie nicht finden? – "Ich hab nicht mal versucht, eine zu heiraten.") Schon auf Seite 18 steht eine Frau auf der obersten Stufe einer Treppe, vor dem hell erleuchteten Haus zeichnet sich ihre Silhouette ab. Einmal fühlt es sich für McGrady an, als säße er in einem Kino und schaue sich einen düsteren Film an. Und zum Showdown schafft der Böse sich ein perfektes Bühnenbild. Dieses Buch hallt nach, hinterlässt Bilder und Emotionen. Alf Mayer, CulturMag
2. Platz: Megan Abbott: "Aus der Balance" (Pulp Master). Dara hat ihr Leben im Schatten ihrer glamourösen Mutter verbracht. Zusammen mit ihrer Schwester Marie und ihrem Ehemann Charlie – dem ehemaligen Starschüler ihrer Mutter – leitet Dara jetzt die Ballettschule, die ihre Mutter einst gründete. So kultiviert ihre geschlossene Welt auch sein mag, ist sie doch auch geprägt von rücksichtslosem Ehrgeiz und einem intensiven Wettbewerb, den die Schwestern zwischen ihren Elevinnen und Eleven befördern. Als nach einem Brand ein Bauunternehmer in ihr Leben tritt, um die Sanierung vorzunehmen, überwindet er die sorgsam bewachten Grenzen dieser Welt und setzt eine Kettenreaktion aus Verlangen, Verführung und Verrat in Gang. "Präzise und schnörkellos erkundet die Autorin die toxischsten Abgründe von Familienstrukturen und Beziehungen, von Wünschen und Sehnsüchten. Dabei geht es um weit mehr als nur das Auseinanderfallen von hässlichem Sein und glänzendem Schein: Abbott zeigt das untrennbare Ineinander von Kunst und Kommerz, von Tradition und Moderne, Schönheit und Selbstzerstörung, Liebe und Hass, Sex und Gewalt." Kirsten Reimers, Der Freitag
3. Platz: Dennis Lehane: "Sekunden der Gnade" (Diogenes). Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis. "In diesem Buch sind alle Zutaten, die man von Dennis Lehane erwartet: Es spielt in den weißen Arbeitervierteln von Boston, es gibt einen Cop, der im Krieg war, seine Drogensucht überwunden hat und nun die Chance auf eine Romanze bekommt. Und ein Elternteil, das sein Kind rächt. Mary Pat ist eine überzeugende Figur: Sie ist entschlossen, mutig, in ihrer Wut konsequent. Sie erkennt, dass es letztlich immer nur um zwei Dinge geht: Macht und Geld. Nicht nur im Umgang mit den vermeintlich Anderen, sondern auch innerhalb enger Gemeinschaften, die von Männern kontrolliert werden. Was passiert, wenn diese Männer merken, dass ihre Regeln sie nicht mehr schützen, schafft einen herrlichen bitterbösen Abschluss für ihren Rachefeldzug." Sonja Hartl, CulturMag