Juror Ingo Schulze hat entschieden

Erich Fried Preis für Frank Witzel

4. August 2021
Redaktion Börsenblatt

Frank Witzel erhält den mit 15.000 Euro dotierten Erich Fried Preis 2021, eine der renommiertesten literarischen Auszeichnungen Österreichs. Die Wahl hat der alleinige Juror Ingo Schulze getroffen.

Das teilten die Internationale Erich Fried Gesellschaft und das Literaturhaus Wien mit. Ingo Schulze sagt in seiner Jurybegründung: "Über Frank Witzel zusammenfassende Sätze zu formulieren ist schwierig, weil sein Werk so vielgestaltig ist. Dabei ist es erst in den letzten sieben Jahren einer größeren literarischen Öffentlichkeit bekannt geworden und zu einem wesentlichen Teil auch erst in diesen Jahren entstanden.
Ob in Prosa, Lyrik, Essay/Traktat, Gespräch, Tagebuch, Hörspiel oder Vorlesung – Frank Witzel gehört zu den wenigen, deren Erzählen immer die Voraussetzungen des Schreibens reflektiert, die Relativität des eigenen Standpunkts offenlegt und sich selbst in Frage stellt. Damit macht er seine Leserinnen und Leser zu souveränen Gesprächspartnern. Mit seiner BRD-Trilogie [Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (2015); Direkt danach und kurz davor (2017); Inniger Schiffbruch (2020)] entwirft er ein Porträt, das (West)Deutschland in seinem Gewordensein und Werden zeigt und damit die Selbstverständlichkeiten zutage fördert, die es in jenen ausprägt, die dort aufgewachsen sind. Gerade weil Frank Witzel so schonungslos in den Westen eintaucht, ist auch der Osten immer anwesend. In einzigartiger Art und Weise werden Ost und West (aus Westperspektive) in ihrer gegenseitigen Bedingtheit gezeigt."

Der deutsche Autor Ingo Schulze wurde durch ein dreiköpfiges Kuratorium, das von der Internationalen Erich Fried Gesellschaft aus den eigenen Reihen ernannt wird, zum alleinigen Juror bestimmt. 2021 besteht das Kuratorium aus den Autoren Josef Haslinger und Robert Schindel sowie der Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler.

Frank Witzel wurde für seinen Schlüsselroman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" (Matthes und Seitz, 2015) mit dem Deutschen Buchpreis 2015 ausgezeichnet und sein zuletzt erschienenes Werk "Inniger Schiffbruch" (Matthes und Seitz, 2020) sei als großartige Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland der 1960er-Jahre gefeiert worden, heißt es weiter in der Presseinformation.

Zum Preisträger

Frank Witzel wurde 1955 in Wiesbaden geboren, lebt als Schriftsteller und Musiker in Offenbach. Sein literarisches Œuvre umfasst seit dem Lyrikdebüt "Stille Tage im Cliché" (1978) die Romane "Bluemoon Baby" (2001/2017), "Vondenloh" (2008/2018) und "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969". Für das gleichnamige Hörspiel erhielt er den Deutschen Hörspielpreis 2017. Im selben Jahr wurde sein Roman "Direkt danach und kurz davor" für den Wilhelm Raabe-Literaturpreis nominiert; sein jüngstes Werk "Inniger Schiffbruch" (2020) stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

Darüber hinaus habe sich Frank Witzel besonders dem Hörspiel verschrieben: u. a. wurde 2018 die 15-teilige Hörspielserie "Stahnke" vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. Es folgten die Hörspiele "Jule, Julia, Julischka" (2019) und "Bruchstücke. Ein Hölderlin-Alphabet" (2020) für den Hessischen Rundfunk.

Zudem veröffentlichte er eine Reihe von Essays, zuletzt: "Uneigentliche Verzweiflung, Metaphysisches Tagebuch I" (2019) "Erhoffte Hoffnungslosigkeit. Metaphysisches Tagebuch II" und "Die Unmöglichkeit eines Ich" (beide 2021).

2017 erhielt Frank Witzel die Poetikdozentur der Universität Heidelberg und 2018 die Poetikdozentur der Universität Tübingen. Nachdem er 2017/2018 der Inhaber der Friederichs-Stiftungsprofessur an der Hochschule für Gestaltung Offenbach war, wurde Witzel ab 2020 zum Honorarprofessor für "Freies Schreiben" ernannt.

Zum Juror

Ingo Schulze wurde 1962 in Dresden geboren und lebt in Berlin. Nach dem Studium der klassischen Philologie in Jena arbeitete er zunächst als Schauspieldramaturg und Zeitungsredakteur. Sein Debüt "33 Augenblicke des Glücks" (1995), das St. Petersburg zu Beginn der Neunziger zum Hintergrund hat, und "Simple Storys. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz" (1998) machten ihn schnell auch über die Grenzen hinweg bekannt. Weitere Erzählbände, Romane, Essays und Reden folgten. Im Frühjahr 2020 erschien der Roman "Die rechtschaffenen Mörder" bei S. Fischer.

Schulze wurde vielfach national und international ausgezeichnet: Zuletzt wurde ihm 2020 der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für sein Engagement als politischer Autor und Künstler verliehen, sowie 2021 der Kunstpreis der Landeshauptstadt Dresden und der Preis der Literaturhäuser.

Zum Preis

Der Erich Fried Preis wird seit 1990 durch die Internationale Erich Fried Gesellschaft vergeben und von jährlich wechselnden Einzeljuror*innen entschieden. Der Preis wird vom österreichischen Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport gestiftet und ist mit 15.000 Euro dotiert.

Zu den Preisträger*innen der letzten Jahre zählen Terézia Mora, Thomas Stangl, Nico Bleutge, Rainer Merkel, Judith Hermann, Dorothee Elmiger, Leif Randt, Teresa Präauer, Steffen Mensching und zuletzt Esther Kinsky.

Die öffentliche Preisverleihung findet am Sonntag, den 28. November im Literaturhaus Wien im Rahmen der Erich Fried Tage statt: www.erichfriedtage.com