Buchpreis Stiftung Ravensburger Verlag

Dmitrij Kapitelman für "Eine Formalie in Kiew" prämiert

5. Oktober 2021
Redaktion Börsenblatt

Der in Berlin und Leipzig lebende Schriftsteller Dmitrij Kapitelman (35) erhält für "Eine Formalie in Kiew" (Hanser Berlin) den Buchpreis Familienroman 2021 der Stiftung Ravensburger Verlag. Die Auszeichnung ist mit 12.000 Euro dotiert.

Das teilte die Stiftung Ravensburger Verlag mit. In der Begründung der Preisvergabe heißt es: "'Eine Formalie in Kiew' ist ein in literarischer Hinsicht ungewöhnliches und in seinem Bekenntnis zur Familie anrührendes Buch. Es bringt einen neuen Ton in die deutschsprachige Gegenwartsliteratur; es überzeugt durch sprachliche Souveränität, ausgefeilten Sprachwitz und treffende Situationskomik. Vor allem im zweiten Teil der Geschichte beweist es sich als gelungener Familienroman mit großer Gefühlstiefe. Zugleich erfahren die Leserinnen und Leser viel über eine spezifische Migrantenkultur und den familiären Umgangsstil in einer fremden Gesellschaft. Insofern handelt es sich auch um einen politischen Roman über die emotionale Zerrissenheit migrantischen Lebens in Deutschland. Eins der anrührenden Schlussbilder des Romans zeigt Eltern und Sohn als 'kleine, krumme, verzahnte, wunderschön gebrechliche Familienkette' auf einem Spaziergang, der aus dem Krankenhaus hinausführt."

Zur Person

Dmitrij Kapitelman, 1986 in Kiew in der Ukraine geboren, kam im Alter von acht Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling mit seiner Familie nach Deutschland. Er studierte Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Leipzig und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Heute arbeitet er als freier Journalist und Musiker. 2016 erschien sein erstes, autobiografisch geprägtes Buch "Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters", das von der Identitätssuche eines jungen Mannes erzählt, der als Kontingentflüchtling und "halber" Jude mit ukrainischem Pass seinen Weg sucht. Der Roman "Eine Formalie in Kiew" knüpft – ebenfalls mit autobiografischem Hintergrund – daran an.

Zum Sieger-Titel

Zum Inhalt schreibt die Stiftung weiter: “Eine Formalie in Kiew“ erzählt die Geschichte einer Familie, die in den 1990er Jahren aus dem Ostteil der Ukraine nach Deutschland übergesiedelt ist. Der Vater gehört der jüdischen Minderheit an, die Mutter stammt aus Moldawien, beide zählen zum russischsprachigen Bevölkerungsteil des Landes. Die Tochter ist schwerstbehindert und braucht Betreuung rund um die Uhr, die von der Großmutter übernommen wird. In Deutschland ernährt sich die Familie mehr schlecht als recht durch Import und Verkauf russischer Lebensmittel. Die geringsten Anpassungsprobleme hat der Sohn Dmitrij. Der Roman beginnt mit dessen Entscheidung, sich in Deutschland einbürgern zu lassen. Die deutsche Bürokratie verlangt für die Einbürgerung Unterlagen, die Dmitrij nur in Kiew bei den dortigen (angeblich immer korrupten) Behörden besorgen kann. Er reist deshalb in sein Geburtsland, findet sich im Dschungel der Ämter nicht zurecht, entwickelt aber in der Konfrontation mit der Ukraine ein besseres Verständnis für die Eigentümlichkeiten und Schwächen seiner Eltern. Als sie ihm nach Kiew folgen, um Erbschaftsangelegenheiten zu klären und ihm beizustehen, muss der Vater wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus. Der Aufenthalt in Kiew wird länger und länger, es entwickelt sich eine neue emotionale Nähe und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Eltern und Sohn.

Preisverleihung im November

Die Preisverleihung findet der Mitteilung zufolge am 22. November in der Berliner Landesvertretung Baden-Württemberg statt. Die Laudatio hält der Literaturkritiker Uwe Wittstock.

Bei dieser Gelegenheit werde auch die zweite Auszeichnung der Stiftung Ravensburger Verlag überreicht: der ebenfalls mit 12.000 Euro dotierte "Leuchtturmpreis 2021 für vorbildliches Engagement im Sektor familiäre, institutionelle oder ehrenamtliche Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen". Diesen erhält der 51-jährige Alexander Ombeck für seine Initiative kulturino, in der Kinder, Jugendliche und junge Familien kulturelle Projekte, Begegnungen und bildungspolitische Arbeit erleben können.

Die 2020 wegen der Corona-Pandemie nicht überreichten Auszeichnungen werden den Preisträgerinnen des vergangenen Jahres ebenfalls ausgehändigt. Der Buchpreis Familienroman ging 2020 an die Stuttgarter Schriftstellerin Anna Katharina Hahn, den Leuchtturmpreis 2020 erhielt Julika Stich für die von ihr ins Leben gerufene Initiative "Young Helping Hands".

Zum Preis

Der zum elften Mal verliehene Buchpreis Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag zeichnet jährlich den Autor oder die Autorin einer deutschsprachigen Publikation erzählender Prosa (Roman, Erzählung, Anthologie) aus. Die Preissumme von 12.000 Euro erhält ein Schriftsteller oder eine Schriftstellerin, "der oder die mit literarischen Stilmitteln ein zeitgenössisches Bild der Familie zeichnet".

Bei der Auswahl des Buchpreises lässt sich die Stiftung von Fachleuten aus Literaturkritik und Buchhandel beraten. 2021 waren dies Uwe Wittstock (Literaturkritiker und Buchautor), Sandra Kegel (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Ellen Pomikalko (Buchmarkt), Michael Riethmüller (Buchhandlung RavensBuch), Mareike Fallwickl (Literaturbloggerin und Buchautorin) und Andrea Reidt federführend (Journalistin und Buchautorin).