Bayerischer Buchpreis 2023

Deniz Utlu und Jan Philipp Reemtsma ausgezeichnet

8. November 2023
Andreas Trojan

Bei einer öffentlichen Jurysitzung wurden Deniz Utlu für „Vaters Meer“ und Jan Philipp Reemtsma für „Christoph Martin Wieland“ am Dienstagabend mit dem Bayerischen Buchpreis 2023 ausgezeichnet. Außerdem haben die Bayerischen Leser:innen über ihr Lieblingsbuch abgestimmt. Eindrücke aus München.

Die Preisträger (von links nach rechts): Florian Illies, Deniz Utlu, Jan Philipp Reemtsma

Die Jury des Bayerischen Buchpreises diskutierte am Dienstagabend in Anwesenheit der nominierten Autor:innen und vor geladenem Publikum in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz über drei Romane und drei Sachbücher, die für den Literaturpreis nominiert waren. Nach insgesamt 60 Minuten intensiven Gesprächs fiel das Votum: Das beste belletristische Buch des Jahres ist „Vaters Meer“ von Deniz Utlu (Suhrkamp), die Auszeichnung für das beste Sachbuch ging an „Christoph Martin Wieland“ von Jan Philipp Reemtsma (C. H. Beck).

Die Jury (von links nach rechts): Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Marie Schoeß (Bayerischer Rundfunk), Cornelius Pollmer (Süddeutsche Zeitung)

In der Kategorie Belletristik waren außerdem nominiert

  • „Erzählung zur Sache“ von Stephanie Bart (Secession)
  • „Kochen im falschen Jahrhundert“ von Teresa Präauer (Wallstein)

In der Kategorie Sachbuch:

  • „American Matrix“ von Karl Schlögel (Hanser)
  • „Die Zunge“ von Florian Werner (Hanser Berlin).

Die Preisträger Deniz Utlu und Jan Philipp Reemtsma erhalten jeweils 10.000 Euro sowie eine Preisfigur aus Nymphenburger Porzellan.

Der Bayern 2-Publikumspreis ging an Caroline Wahl für ihren Roman „22 Bahnen“ (DuMont). Der Titel wurde in diesem Jahr auch zum Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen erklärt.

Nehmen Sie uns weiter mit auf Ihre literarischen Reisen.

Florian Hermann, bayerischer Staatsminister für Medien

Markus Söder ist ein "Illies-Leser"

Mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten wurde Florian Illies ausgezeichnet.

Markus Söder war verhindert, doch Florian Hermann, Staatsminister für Medien, versicherte, der Ministerpräsident sei seit dem Kultbuch „Generation Golf“ ein Illies-Leser. Hermann sprach vermutlich für das gesamte Publikum, als er an den Autor und Preisträger appellierte: "Nehmen Sie uns weiter mit auf Ihre literarischen Reisen.“

Florian Illies stellte fest, dass mit der Vergabe des Ehrenpreises an ihn nun klar sei, dass die Auszeichnung keine PR-Aktion des Bayerischen Freistaates sei, denn: „Wenn in meinen Büchern München auftaucht, beginnt das Unheil.“ Doch das Unheil droht an sich, wenn man, wie Illies, sich auf Zeitgeschichte einlässt. „Vom Eintauchen in die Unübersichtlichkeit der deutschen Geschichte – davon handelt mein ganzes Schreiben“, so Illies.

Wenn in meinen Büchern München auftaucht, beginnt das Unheil.

Florian Illies, Autor und Preisträger

Die Nominierten (von links nach rechts): Karl Schlögel, Florian Werner, Stephanie Bart, Florian Illies, Deniz Utlu, Jan Philipp Reemtsma, Teresa Präauer

Klaus Füreder: "Mit Stolz blicken wir auf dieses Kind"

In München wurde am Dienstagabend auch ein kleines Jubiläum gefeiert: Der Bayerische Buchpreis wurde nämlich zum zehnten Mal vergeben. „Mit Stolz blicken wir auf dieses Kind – es hat sich sehr gut entwickelt“, meinte Klaus Füreder, Vorsitzender des bayerischen Landesverbands im Börsenverein.

Im Geburtstagsjahr hat die Jury komplett gewechselt: "Das bringt auch frischen Wind in die Sache", so Füreder. Die neue Jury setzt sich zusammen aus:

  • Andreas Platthaus, bei der "F.A.Z." verantwortlicher Redakteur für die Literatur
  • Marie Schoeß, Autorin und Moderatorin beim Bayerischen Rundfunk
  • Cornelius Pollmer, Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung.

Die Arbeit der Jury begann auf der Bühne nach der Vergabe des Ehrenpreises: Live lotete das Trio aus, wer den Bayerischen Buchpreis in den Kategorien Belletristik und Sachbuch bekommen sollte.

Pollmer stellte Reemtsmas Wieland- Buch vor: „Wohl kein anderer kann so präzise und verblüffend erzählen von den Stationen und vom Schreiben Wielands und damit letztlich: von der Belebung Weimars wie der deutschen Sprache.“

Platthaus präsentierte Karl Schlögels „Matrix“: „Gerade in Abgrenzung zu Russland als der anderen modernen Territorialmacht gelingt Schlögel eine brillant erzählte Analyse des amerikanischen zwanzigsten Jahrhunderts“. Dem stimmten die anderen beiden zu. Für Pollmer jedoch war "die Erzählstruktur nicht immer schlüssig.“

Für Florian Werners „Die Zunge“ warb Schoeß: „Wer dieses Buch liest, entdeckt sie plötzlich überall: die Zunge und ihre verborgene Bedeutung für unsere Kultur.“

Durchsetzen konnte sich schließlich Reemtsma mit seinem Wieland-Buch.

Utlus Spiel mit Erzähltraditionen

In der Kategorie Belletristik waren, wie oben erwähnt, Stefanie Barts „Erzählung zur Sache“ (Secession), „Kochen im falschen Jahrhundert“ (Wallstein“) von Teresa Präauer und Deniz Utlus Roman „Vaters Meer“ (Suhrkamp) am Start.

Platthaus legte die Latte hoch: Für ihn ist Stefanie Barts Buch "ein politischer Roman, wie es seit Peter Weiss‘ `Ästhetik des Widerstands´ keinen mehr in der deutschen Literatur gegeben hat.“

Pollmer warf ein, dass die vielen Ich-Perspektiven beim Lesen etwas Verirrung stiften würden. Er begeisterte sich für Teresa Präauer. Sie sei eine literarische Gastgeberin, wie man sie sich nur wünschen könne: „Das ist sicherlich das witzigste Buch, das wir hier am Tisch haben.“

Für Schoeß enthält Präauers Roman zu viel „Metaebene“ - anders als bei Utlus Roman: Hier gebe es „ein großes Gespür für Mehrsprachigkeit“ und die „Lust aufs Spiel mit verschiedenen Erzähltraditionen“.
Platthaus sah es ähnlich: „Das ist ein Buch über die Wichtigkeit des Erzählens.“ Und so ging Deniz Utlu mit „Vaters Meer“ als Sieger aus der Diskussion hervor.

Wir leben alle in einer Zeit der Einsamkeit. Ich danke allen, die mich beim Schreiben begleitet haben.

Deniz Utlu, Autor und Preisträger

Die Jury hat ihre Feuerprobe bestanden

In seiner Rede bedankte sich der Autor bei seiner Mutter als „Ideengeberin“. Und ergänzte dann: „Wir leben alle in einer Zeit der Einsamkeit. Ich danke allen, die mich beim Schreiben begleitet haben.“

Durch den Abend führte die BR-Moderatorin Judith Heitkamp - souverän und mit Esprit. Die neue Jury hat ihre Feuerprobe in jedem Fall bestanden, sowohl bei Auswahl der Bücher als auch bei der sachverständigen Diskussion. Auf die nächsten zehn Jahre!