35.000 Euro – wissen Sie schon, in welche Projekte das Preisgeld fließen wird?
Das Preisgeld wird in unsere laufenden Produktionen einfließen, die nächsten Programme sind geplant, und wir können nun, ausgesprochen dankbar, mit einem sichereren Gefühl agieren.
Wird Ihre Arbeit einfach komfortabler oder haben Sie konkrete Pläne für das Geld?
Um es genauer zu sagen: Im nächsten Frühjahr haben wir einen Roman im Programm, VISTA CHINESA, von Tatiana Salem Levi. Er erzählt die wahre Geschichte eines Opfers sexueller Gewalt. Die junge Frau, deren Geschichte wir miterleben, vertraute ihr Leid und ihre Erfahrung einer befreundeten Autorin an, eben der von der internationalen Presse hochgelobten Tatiana Salem Levi. Entstanden ist ein einfühlsamer, schonungslos genauer Text, der von immenser gesellschaftlicher Bedeutung ist, weil er zeigt, dass und wie über das Unsagbare der körperlichen Versehrtheit durch eine Vergewaltigung überhaupt gesprochen werden kann. Dank der Würdigung können wir diesen Roman nun bereits im Dezember als Leseexemplar zur Verfügung stellen.
Und das gleiche werden wir auch mit Jakub Małeckis Roman SATURNIN tun können, der mit großer emotionaler Kraft und versöhnlicher Stimme uns nach Polen führt, in dessen Gegenwart, aber auch in die düsteren Kriegsjahre, über deren Erleben aus polnischer Sicht wir hier ja noch wirklich nicht viel wissen. Dieser Roman hat mich in seiner Güte und poetischen Kraft so sehr berührt, dass ich ihm unendlich viele Leser wünsche. Was für ein Glück also, diese beiden Texte nun frühzeitig präsentieren zu können. Und ich freue mich über jede Buchhändlerin und jeden Buchhändler, die sich dieser beiden Bücher annehmen wollen.
2019 und 2020 wurde Secession mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet, der mit 24.000 Euro dotiert ist. Wie wichtig sind solche Preise für die Verlagsarbeit? Welche Bücher wären ohne die Auszeichnungen auf der Strecke geblieben?
Ganz abgesehen von der durch Corona bedingten Krise, möchte ich unterstreichen, dass diese Preise für uns unabhängigen Verlage von ganz grundlegender Bedeutung sind. Einerseits helfen sie auf wirtschaftlicher Ebene, und zwar so, dass wir den Spielraum haben, unsere Entscheidungen zu Publikationen finanziell besser unterfüttern zu können, andererseits ist die symbolische Wirkkraft dieser Preise nicht zu unterschätzen: Sie fördern in der Gesellschaft im besten Fall das Bewusstsein dafür, dass die »Biblio-Diveristät«, wie Senator Klaus Lederer die lebendige Vielfalt in der Literaturbranche während der Feier zur Preisverleihung bezeichnet hat, in unserer Kultur einen sehr wichtigen Stellenwert einnimmt. Ich bin mir gewiss, dass die Vielzahl der kulturellen Stimmen einer Gesellschaft in direktem Verhältnis zur ihrer Lebenskraft steht und damit zu ihrer Lebensqualität; und die Erfahrungen im Fühlen und Denken, die zu vermitteln das große Privileg der Literatur ist, sind der Garant für ein wachsames und aufmerksames gesellschaftliches Leben. Also ein großes, unanfechtbares Ja: für dieses so unglaublich wichtige kulturelle Gut der Vielstimmigkeit! Und diese wäre, um auf Ihre Frage zu antworten, gewiss kleiner, und dies nicht nur in unserem Hause, hätten wir und andere nicht diese Auszeichnungen erhalten!
Helfen die Auszeichnungen auch beim Bücherverkaufen?
An einer gelingenden Vermittlung sind viele Menschen beteiligt: Die Presse und der Buchhandel sind unsere wichtigsten Partner. Und ohne die vielen Personen, die sich seit Jahren für unser Programm einsetzen, wären wir nicht da, wo wir heute sind: Somit gilt ihnen allen mein Dank, und jenen, die uns noch kennen lernen wollen, mag dieser wunderbare Preis ein Grund sein, sich unsere Arbeit näher anzusehen. Das Echo, das wir erfahren durften, ist schon wunderschön. Mit unseren nächsten Büchern wollen wir vielstimmig darauf antworten. Mögen Sie viele Leser finden!