Cristina Morales bekommt ein Preisgeld von 20.000 Euro, ihre Übersetzerin Friederike von Criegern 15.000 Euro, teilt das Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) mit. "Leichte Sprache" ist im März bei Matthes & Seitz Berlin erschienen. Der Roman erzählt von der Selbstbehauptung vierer Frauen mit kognitiven Beeinträchtigungen, die in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben.
Die Preisträgerinnen wurden am 22. Juni beim Shortlistabend auf der Dachterrasse des HKW bekannt gegeben. Zur Auswahl standen sechs Bücher. Den Abend eröffnete eine Leseperformance: Die Schauspieler:innen Zeynep Bozbay, Jonas Grundner-Culemann, Banafshe Hourmazdi, Anne Kulbatzki, Abak Safaei-Rad und Falilou Seck lasen Auszüge aus den sechs Büchern der Shortlist. Anschließend hielten Robin Detje und Heike Geißler eine Laudatio auf die Preisträger:innen und überreichen ihnen den Preis.
"'Leichte Sprache' ist eine vielstimmige Ich-Erzählung, ein Gerichtsprotokoll, ein Gesprächsprotokoll, ein Roman in Leichter Sprache, ein Fanzine", sagten Robin Detje und Heike Geißler für die Jury. "Ein poröses Ensemble aus Formen und Figuren. Dieser Roman ist kein Inklusionsmärchen, er ist ein Forderungskatalog. Er besteht auf der Benennung von Unterschieden, auf Klarheit, er besteht auf der Notwendigkeit zu hassen, auf Lebendigkeit, Überraschung und Revolte. 'Leichte Sprache' ist eine Liebeserklärung an die Politisierung, aber auch an den Tanz und an das Begehren. Es erzwingt eine Neujustierung von Begrifflichkeiten und Zuschreibungen. Unsere Entscheidung, den Preis diesem Buch zu geben, ist eine Liebeserklärung – an das Buch und seine Protagonistinnen, an die Heftigkeit, mit der sie auf Restriktionen, Demütigungen und Entmündigung reagieren."
Es sei ein Buch aus vielen Stimmen, deren Ton oft rasch umschlägt. "Rollenprosa von Figuren, über die wir wissen, dass Sprachgewalt und Eleganz nicht ihr Ziel sind, vielleicht auch nicht ihre Fähigkeit – deren Umgang mit Sprache also von vornherein brüchig ist." Man könne sich für eine Übersetzerin kaum eine größere Herausforderung vorstellen. "Es ist preiswürdig, mit welcher Diszipliniertheit Friederike von Criegern sich dieser Aufgabe gestellt hat", so die beiden Juroren weiter.
Christina Morales’ Buch sei ein Befreiungsschlag, "weil es die Stärke vorführt, die unsere Fragilität hervorbringen kann, die Zähigkeit, die in unserer erfahrenen, erlebten oder auch antizipierten Versehrbarkeit gründet. Es führt uns einen auf befreiende Weise veränderten Blick auf die Welt vor, eine erst durch die Anerkennung eigener Versehrbarkeit zur Möglichkeit gewordene Radikalität."