"Diese Authentizität war beängstigend"
Am 17. Mai ist der US-Autor Cody Mcfadyen gestorben. Lübbe Verlagsleiter Marco Schneiders widmet dem "Sänger der Finsternis" einen persönlichen Nachruf.
Am 17. Mai ist der US-Autor Cody Mcfadyen gestorben. Lübbe Verlagsleiter Marco Schneiders widmet dem "Sänger der Finsternis" einen persönlichen Nachruf.
Der US-amerikanische Thriller-Autor Cody Mcfadyen ist am 17. Mai gestorben. Das teilte sein deutscher Verlag Bastei Lübbe über eine Traueranzeige in der Börsenblatt-Ausgabe Nr. 24 mit.
Cody Mcfadyen wurde 1968 in Fort Worth, Texas geboren. Es sollten 38 Jahre vergehen, bis er, nach kleineren schriftstellerischen Arbeiten, 2006 seinen ersten Roman veröffentlichte. "Die Blutlinie" (Titel der amerikanischen Originalausgabe: "Shadowman") stand zwar – auf den ersten Blick – in der Tradition der Serienkiller-Romane, mit seiner besonderen Protagonistin Smoky Barrett betrat Mcfadyen allerdings Neuland. Das merkte, das spürte man ganz unmittelbar und schon auf den ersten Seiten. Hier war ein Autor angetreten, der sich seine Figuren nicht „ausdachte“ und gemäß „klassischer“ Genre-Muster gestaltete. Hier war vielmehr ein Autor, der sich so tief in die Psyche seiner Charaktere hineinarbeitete, dass beim Lesen ein Höchstmaß an Authentizität erreicht wurde.
Diese Authentizität war zuweilen – beängstigend. Weil sie eine Nähe zwischen den Figuren und den Leser:innen schuf, die in den meisten Romanen so nicht erreicht wird. Cody hatte die Gabe, diese Nähe zu schaffen. Und auf seinen Lesereisen in Deutschland, große, viel besuchte Veranstaltungen, die man durchaus als Events bezeichnen konnte, ging es immer wieder um diese spezielle Gabe. Denn sie war der Kern der Verehrung, die Cody von seinen Fans entgegengebracht wurde.
Und an dieser Stelle von Verehrung zu sprechen, ist weder zu emotional noch zu vermessen. Wenn dieser stille, zurückhaltende, nachdenkliche, bescheidene Mann die Bühne betrat, um aus seinen Büchern zu lesen oder Interviews zu geben, dann konnte man im Veranstaltungsraum eine Stecknadel fallen hören.
Cody hatte mit Smoky Barrett eine Hauptfigur seiner Geschichten geschaffen, die sich in allem, was sie tat, dachte, fühlte, jedem Klischee widersetzte. Für die FBI-Ermittlerin wurde jeder ihrer Fälle zur Obsession. Denn auch sie hatte, wie ihr Schöpfer, eine Gabe.
Smoky Barrett: "Schlechte Menschen kriechen dicht am Rande unserer Wahrnehmung um uns herum, unsichtbar und unerkannt, und beobachten uns, während wir unsere Träume träumen, unsere Kinder großziehen und unser Leben lieben (oder hassen). Sie behalten uns im Auge, wachsam, lauernd, und singen dabei leise ihre Lieder, die nur sie selbst hören können und andere von ihrer Sorte. Es sind Lieder über den Tod, den Schmerz und die Angst. Sie singen. Und manchmal kommen sie aus den Schatten, treten hinaus in unser Licht und singen für uns. Ich lausche diesen Sängern der Finsternis und sammle ihre Lieder. Ich bin keiner von ihnen, aber ich kann sie verstehen. Ich fühle mich von ihren Liedern angezogen, von ihrer Musik, wie ein Schiff von den Felsen. Ich höre, wo andere nichts hören. Diese gespenstischen Sänger sind um uns herum, immerzu und überall, und sie sehen aus wie wir".
Vielleicht hatte Cody auch diese Gabe. Den Sängern der Finsternis zu lauschen. Ihre Lieder zu sammeln. Und daraus einzigartige Geschichten zu machen. Geschichten, die einen nicht mehr loslassen. Ja, ich glaube, er hat den Sängern der Finsternis gelauscht. Cody Mcfadyen ist am 17. Mai in seiner Heimatstadt Denver, Colorado, gestorben.
Marco Schneiders