Lesetipp aus der "FAZ"

Passen sich Autoren an Konzerne an?

23. November 2023
von Börsenblatt

Eine steile These vertritt der US-Literaturwissenschaftler Dan Sinykin: Schriftsteller:innen würden sich den Erwartungen von Konzernverlagen fügen – was sie bei unabhängigen Verlagshäusern nicht täten. FAZ-Redakteur Jan Wiele hat Sinykin dazu befragt.

Sinykin behauptet in seinem Buch "Big Fiction", dass die "Konzernisierung" des Verlagswesens Schreiben und Lesen verändert hätten. Bedeutende Schriftsteller wie Philip Roth, Don DeLillo, Toni Morrison oder Cormac McCarthy hätten sich dennoch in den Grenzen des neuen Marktes ästhetisch behauptet und "unter den Zwängen trotzdem bedeutende und zugleich erfolgreiche Bücher" geschrieben.

Auf Wieles Frage (Interview FAZ, Zahlschranke), ob Literatur nur noch unter Marketing-Gesichtspunkten betrachtet werden könne, meint Sinykin, es würden immer bewusste oder unbewusste Marketing-Entscheidungen getroffen. Ein Autor, der produktiv mit diesem Phänomen umging, war Steve Foster Wallace, berühmt für seinen Roman "Infinite Jest", der auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Wallace' Romane und seine Biografie sind vielleicht der beste Beleg dafür, dass sich Autoren tatsächlichen oder vermeintlichen Zwängen auch entziehen können.

Sinykin argumentiert weiter, dass Autor:innen durch die "Konzernisierung" mehr und mehr Kontrolle über ihr Werk verloren hätten und daher den Ausweg "Autofiktion" gewählt hätten. Eine interessante These, die man zumindest überprüfen könnte. Gleichzeitig sind Sinykins Argumente jedoch nicht frei von Unterstellungen und Projektionen, die den Wahrheitsgehalt seiner These trüben.