»Radikaler Universalismus jenseits von Identität«: So heißt eines Ihrer Bücher. Wie könnte es gelingen, radikalen Universalismus für die Politik nutzbar zu machen?
Eines der offensichtlichsten Beispiele, das ich in meinem Buch erwähne, ist der aktuelle israelisch-palästinensische Konflikt. Die antihumanistischen Reaktionen auf das Hamas-Massaker in einigen Ecken der globalen Linken haben mich nicht überrascht, sie haben mit dem posthumanistischen, identitären Diskurs zu tun. Sie zeigen, dass die Angriffe auf den Universalismus alles andere als »Fiktionen« oder »saftige Anekdoten« über die anti-liberale Linke sind. Auf der anderen Seite scheitert aber auch der sogenannte Westen mit seinen liberalen Demokratien, wenn es schwierig wird, die Würde des Menschen, die Humanität staatenloser Palästinenser angesichts einer Katastrophe zu verteidigen und ohne Kompromiss zum Recht zu stehen. Ich habe mit großer Sorge beobachtet, wie leicht es selbst nach so langen Kämpfen und schrecklichen Ergebnissen war, die Forderung nach einem humanitären Waffenstillstand fast zu delegitimieren. Unglücklicherweise sind beide Seiten dieser Debatte im Recht, wenn sie das moralische Versagen der anderen Seite kritisieren – ohne, um jedes Missverständnis auszuschließen, dass man deshalb beide Seiten gleichsetzen könnte. Das moralische Versagen beider Seiten, zu den Ansprüchen, Konsequenzen und Pflichten der universalen Rechte zu stehen, resultiert aus ihrer Unfähigkeit, einen genuinen Universalismus zu verteidigen. Deshalb eigentlich habe ich mein Buch geschrieben.