CIMA.monitor Deutschlandstudie Innenstadt 2022

„Die Fokussierung auf den Handel ist nicht mehr ausreichend“

3. Januar 2023
Redaktion Börsenblatt

Den Innenstädten droht unter den aktuellen Voraussetzungen ein dauerhafter Besuchsverlust von 20 Prozent. Das stellen die Herausgeber der „Deutschlandstudie Innenstadt 2022“ fest. Ihre Umfrage zeigt, wie Innenstädte der Zukunft auszusehen haben, um die Menschen nicht zu verlieren.

Die fortschreitende Digitalisierung und das damit einhergehende veränderte Kaufverhalten sorgen für Druck in den Kommunen – und das nicht erst seit Corona. Unter den aktuellen Voraussetzungen verlieren die Innenstädte einen bedeutenden Anteil an Besuchenden – das stellt die „Deutschlandstudie Innenstadt 2022“ fest. Sie wird unter anderem gemeinsam vom Unternehmen CIMA Beratung + Management, dem Handelsverband Deutschland und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag durchgeführt. Sie merken an, dass insbesondere in Kleinstädten mit bis zu 10.000 Einwohner:innen ein dauerhafter Besuchsverlust von 20 Prozent droht. Was muss also getan werden, um dies zu verhindern?

Die zentralen Ergebnisse der Umfrage: Die Innenstadt bedarf einer Neuausrichtung, die Ansprüche an die Innenstädte haben sich fundamental verändert und es braucht neue Instrumente, Akteure und Allianzen. Die Fokussierung auf den Handel allein ist nicht mehr ausreichend.

„Leider ist der Strukturwandel noch viel zu oft negativ konnotiert. In Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, vor denen unsere Städte und Gemeinden heute stehen, ist offenkundig, dass die monofunktionale Ausrichtung von Innenstadtlagen auf den Handel in Anbetracht sinkender Flächenbedarfe im Handel kein probates Mittel mehr ist, um Besucher:innen in die City zu locken. Der Handel und Innenstädte brauchen dringend eine neue Verantwortungsgemeinschaft und zusätzliche Frequenzpartner“, sagt Roland Wölfel, Studienleitung und Geschäftsführer von CIMA. Dies sei ohne unterstützende Maßnahmen der öffentlichen Hand nicht zu bewältigen.

Welche Bedeutung hat die Innenstadt als Einkaufsstadt bei den Menschen?

Insbesondere bei den Menschen bis 49 Jahren verliert die Innenstadt als Einkaufsstadt besonders Bedeutung. Bei unter 30-jährige sogar minus 35 Prozent im Vergleich zur Umfrage im Jahr 2015. Demnach spielt nur noch für 40 Prozent der jüngeren Menschen Shopping eine zentrale Rolle in der Innenstadt. Bei Menschen ab 50 sind das noch 63 Prozent mit einem Verlust von 12 Prozent im Vergleich zu 2015.

Welche Anforderungen werden an die Innenstädte der Zukunft gestellt?

Die Studie zeigt, dass beim Umbau der Innenstädte besonderen Wert auf klimagerecht gestaltete Zonen zum Ausruhen und Verweilen gelegt wird. Insbesondere in der mittleren Altersgruppe in Form von Grünflächen. Altersübergreifend sind ein sauberes und gepflegtes Stadtbild und ausreichend öffentliche Toiletten von zentraler Bedeutung. Die Umfrage zeigt auch, dass ein größerer Mix aus Angeboten neben dem Handel in Zukunft in den Innenstädten gefragt ist: dazu zählen Coworking-Spaces, Gesundheitsdienstleistungen und Bildungseinrichtungen.

Verlängerte Öffnungszeitungen und verkaufsoffene Sonntage sind vor allem für unter 30-jährige wichtig.

„Flexibilisierung ist gefordert, um Offline und Online in eine ausgewogene Wettbewerbssituation zu bringen“, schließen die Autor:innen.

Regionale Angebote sind für 83 Prozent der Befragten wichtig, Bio-Angebote nur für rund 62 Prozent. Es werde bei den Befragten Wert auf qualitativ hochwertige Angebote, optisch attraktiv gestaltete, am besten inhabergeführte Geschäfte gelegt.

Außerdem sind Textilien und Schuhe nicht mehr auf Platz 1 der innenstadtrelevanten Warengruppen. Es gewinnen: Nahrungs- und Genussmittel sowie Körperpflege- und Gesundheitsprodukte. Im Vergleich zu den vorherigen Befragungen zeigt sich, dass gastronomische Angebote an Bedeutung gewinnen.

Die Befragten wünschen sich außerdem stärker an den Prozessen zur Umgestaltung ihrer Innenstadt beteiligt zu werden.

Gefragt nach der Nutzung digitaler Informationen über ihre Innenstädte möchten sich 75 Prozent vorab online zu Veranstaltungen informieren und das in allen Altersgruppen. Außerdem gewinnt der Online-Verfügbarkeitscheck von Waren in stationären Läden an Relevanz. Nutzten 2019 noch 41,5 Prozent diesen Service, waren es 2021 bereits über 45 Prozent und weitere 18,7 Prozent gaben an, ihn künftig stärker nutzen zu wollen. Digitale Services wie Reservierungsmöglichkeiten, Online-Bestellungen und Liefer-Services sind ebenfalls stark gefragt.  

Zentrale Ergebnisse der Deutschlandstudie Innenstadt in Stichpunkten

  • 85,9% wünschen sich mehr Grün in ihrer Innenstadt, um das Stadtklima positiv zu beeinflussen und den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken
  • 85,0% möchten, dass Innenstädte auch zukünftig viele Einkaufsmöglichkeiten bieten und Einkaufsort bleiben sollten
  • 82,2% der Bürgerinnen und Bürger wollen stärker an den Prozessen zur Umgestaltung ihrer Innenstadt beteiligt werden.
  • 77,0% sagen, dass die Einkaufsangebote ihrer Innenstadt einen viel stärkeren regionalen Bezug erhalten sollten.
  • 69,4% sind der Ansicht, das Thema Wohnen sollte in ihrer Innenstadt künftig eine stärkere Rolle spielen.
  • 65,4% meinen, ihre Innenstadt muss sich im Angebot stärker auf die Bedürfnisse junger Menschen unter 30 Jahren einstellen.
  • 61,6% wünschen sich eine Innenstadt, die sich in der Gestaltung stärker auf die Bedürfnisse junger Menschen unter 30 Jahren einstellt
  • 60,3% sind der Meinung, ihre Innenstadt sollte auch abseits des Handels wieder mehr zum Arbeitsort werden.
  • 56,5% würden zu Gunsten von mehr Aufenthaltsqualität im Zentrum auf Parkmöglichkeiten für KFZ verzichten.
  • 47,6% befürworten, dass Innenstädte zukünftig weniger dem Einkaufen und mehr der Freizeitgestaltung und dem Erlebnis dienen sollten