Interview mit Lubna Jaffery

Zeit zum Lesen als Strategie

17. März 2025
Nicola Bardola

Die Lesebegeisterung im Land bis 2030 steigern und die Schriftkultur stärken: Im Interview erläutert die norwegische Ministerin für Kultur und Gleichstellung, Lubna Jaffery, aktuelle Entwicklungen im Gastland der Leipziger Buchmesse, was das Besondere an der norwegischen Literatur ist und wie Bücher in samischer Sprache gefördert werden.

Lubna Jaffery, norwegische Ministerin für Kultur und Gleichstellung

Lubna Jaffery, norwegische Ministerin für Kultur und Gleichstellung

Norla, das Zentrum für norwegische Literatur im Ausland, ist sehr aktiv – welche Rolle spielt es in Ihren Zukunftsplänen im Kulturministerium?

Norla spielt eine wichtige Rolle beim Export norwegischer Literatur. Das Zentrum bringt 50 norwegische Autoren auf die Leipziger Buchmesse und in die Stadt Leipzig – mit über 80 Veranstaltungen. Das ist beeindruckend. Norla hat systematisch daran gearbeitet, seine langfristige Arbeit im Bereich des Exports norwegischer Literatur zu verstärken, insbesondere dadurch, Ehrengast auf den Buchmessen in Frankfurt (2019), Warschau (2022), Kairo (2024), Leipzig (2026) und geplant für Bologna im Jahr 2026 zu sein. Das ist bemerkenswert.

Und Norlas Rolle für den kulturellen Austausch Norwegens mit anderen Ländern ist grundlegend. Als Kulturministerin habe ich unsere enge Zusammenarbeit immer sehr geschätzt, und Norla wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Die Mitarbeiter:innen machen einen unglaublich guten Job!

Welche drei Veranstaltungen sollte man auf der Leipziger Buchmesse auf keinen Fall verpassen?

Ich empfehle, an der Eröffnung des norwegischen Ehrengastprogramms auf der Leipziger Buchmesse am 27. März teilzunehmen. Ihre Königliche Hoheit Kronprinzessin Mette-Marit wird das Programm als Botschafterin der norwegischen Literatur im Ausland eröffnen. Ansonsten: Jeder hat andere Vorlieben, wenn es um Literatur geht. Jeder muss seine "cup of tea" finden. Ich rate den deutschen Lesern jedoch dringend, eine Veranstaltung mit Autoren zu besuchen, die sie noch nicht kennen - um ihren Blickwinkel zu erweitern. Von ausführlichen und fesselnden Romanen bis hin zu einer breiten Palette an Kriminalliteratur zeigt sich die norwegische Belletristik experimentierfreudig in Form und Inhalt. Besonders deutlich wird dies in der Lyrik, der Kurzprosa und den experimentellen Genres bzw. literarischen Ausdrucksformen.

Wie wichtig ist Kinder- und Jugendliteratur in Norwegen?

Zunächst einmal sind Kinder unsere wichtigsten Leser, also lautet die Antwort: sehr wichtig! Das norwegische Kulturministerium und das Ministerium für Gleichstellung haben eigene Preise für Kinder- und Jugendliteratur; es gibt zahlreiche Beispiele für Festivals und Veranstaltungen. Darüber hinaus ist die Strategie der Regierung "Gemeinsam für das Lesen - Die Lesebegeisterung" wichtig.

Was beinhaltet diese Strategie?

Die norwegischen Kinder und Jugendlichen sind weniger lesebegeistert und haben schlechtere Lesefähigkeiten als früher. Die Regierung möchte diesen Trend umkehren und eine stärkere Lesekultur aufbauen. Im Mai 2024 haben wir deshalb die Lesebegeisterungsstrategie 2024-2030 "Gemeinsam für das Lesen" vorgestellt – hoffentlich wird sie Wirkung zeigen und die Lesebegeisterung steigern. Ein wichtiges Element dabei besteht darin, Kindern und Jugendlichen einen besseren Zugang zu einem vielfältigen Buchangebot zu ermöglichen, in Schulbibliotheken zu investieren, den Vertrieb von Literatur zu stärken und gedruckten Büchern in den Schulen Vorrang einzuräumen. Darüber hinaus wird die nationale Initiative "Tid for lesing" ("Zeit zum Lesen") fortgeführt, die den Leseunterricht in Schulen stärken soll.

Die vielfältige Literaturlandschaft Norwegens inspiriert die Leser:innen in Deutschland. Was ist das Besondere an der norwegischen Literatur?

Als kleines Land mit einer kleinen Sprache ist es für die norwegische Regierung von größter Bedeutung, sowohl die norwegische Sprache als auch die Literatur zu schützen und eine entsprechende Politik zu entwickeln. Die moderne norwegische Literatur ist eine Mischung aus unseren traditionellen Inspirationen und einer enormen Vielfalt an literarischen Strömungen, Ideen und Milieus. Das ist wirklich inspirierend, und für die Regierung ist es von grundlegender Bedeutung, dass wir eine Politik verfolgen und weiterentwickeln, die den Grundstein für ein breites Spektrum an Literatur und eine Vielfalt an Ausdrucksformen legt.

Aber die große Vielfalt der norwegischen Literatur sowie ihre Reichweite im In- und Ausland kann nicht vollständig verstanden werden, ohne die Rolle des norwegischen Literatursystems zu berücksichtigen. Zu diesem System gehören ein solides Bucheinkaufssystem, gut ausgebaute Bibliotheken, ein effizienter landesweiter Vertrieb, der durch die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor erreicht wird, sowie die Standardisierung von Vereinbarungen innerhalb der Buchbranche. Norwegen steht auch an der Spitze der Digitalisierung und schafft neue Möglichkeiten des Lesens und der Beschäftigung mit Literatur. Wir haben Gesetze, zum Beispiel das neue Buchgesetz in Norwegen, das 2023 verabschiedet wurde, und das zur Stärkung der schriftlichen Kultur der Sprachen in Norwegen beitragen soll, nicht nur des Norwegischen, sondern auch der samischen Sprachen und der Sprachen der nationalen Minderheiten. Wir haben Zuschussprogramme für Buchprojekte und Maßnahmen zur Verbreitung dieser Literatur an ein größeres Publikum.

Wie unterstützen Sie samische Literatur?

Norla, dessen Tätigkeit vom Kulturministerium finanziert wird, hat im Rahmen der allgemeinen Förderung der norwegischen Literatur beeindruckende Arbeit bei der Verbreitung von Wissen über samische Literatur und samische Autor:innen im Ausland geleistet. Das samische Parlament unterstützt die samische Literaturproduktion durch verschiedene Maßnahmen, aber um die samische Literatur zu stärken, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung. Die Zentralregierung und ihre Behörden verfügen zu diesem Zweck über verschiedene Instrumente. Der Kulturrat kauft neue Buchtitel, auch ins Norwegische übersetzte samische Literatur, um sie an norwegische öffentliche Bibliotheken und Schulbibliotheken sowie an bestimmte Bildungseinrichtungen und Bibliotheken im Ausland weiterzuleiten.

Wie sehen Sie die kulturellen Beziehungen zu Deutschland?

Die kulturellen Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland sind einzigartig und reichen sehr weit zurück. Deutschland war für die Karrieren vieler unserer berühmtesten Künstler wie Ibsen, Munch und Grieg sehr wichtig. Auch heute ist Deutschland einer unserer wichtigsten Kulturmärkte und dient oft als Tor zur weiteren Internationalisierung. Im Bereich der Literatur ist Deutschland sogar unser weltweit wichtigster Markt. Unsere kulturelle Zusammenarbeit basiert auf gemeinsamen Grundwerten wie Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Ich freue mich sehr auf die Leipziger Buchmesse und hoffe, dass sie eine Gelegenheit sein wird, unsere engen Beziehungen weiter zu stärken.