"Wie wollen wir leben?" (20)

"Wird KI künftig meinen Job übernehmen?"

19. Februar 2021
Redaktion Börsenblatt

Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate ist die Frage "Wie wollen wir leben?" drängender denn je. Welche Denkanstöße dazu in Frühjahrsnovitäten zu finden sind, zeigen wir in einer Folge, die auch Anregung für einen Büchertisch sein kann. Die Antwort von Holger Volland befasst sich mit der Arbeit in der Zukunft (Mosaik).

Die folgende Antwort stammt aus Holger Vollands Buch "Die Zukunft ist smart. Du auch? - 100 Antworten auf die wichtigsten Fragen zu unserem digitalen Alltag", der am 15. März bei Mosaik erscheinen wird.

"Ich habe Glück. Nur 20 Prozent der Tätigkeiten eines Autors wären automatisierbar und könnten zukünftig von Maschinen erledigt werden. Da schaue ich mir doch mal gleich meine komplette Familie an. Mein Vater war als Beamter bei der Arbeitsagentur unter anderem für die Einführung technischer Systeme zuständig: 57 Prozent seines Jobs könnten heute von Maschinen erledigt werden. Zum Glück ist er in Rente. 57 Prozent sind eine harte Prognose! Für meine Mutter als Buchhändlerin sähe es mit 42 Prozent Automatisierbarkeit nur bedingt besser aus: Ein schwerer Schlag für diese Berufsgruppe, die immer schon viel zu wenig verdient hat. Meine Schwester als Architektin hat wiederum Glück: nur 19 Prozent ihres Arbeitsprofils wären automatisierbar. Den zukunftssichersten Job hat sich allerdings mein kleiner Neffe ausgesucht. Er will Baggerfahrer werden und hat damit eine Berufswahl getroffen, bei der 0 Prozent der Tätigkeiten auch von Maschinen erledigt werden können. Hut ab, mit fünf Jahren schon so weitsichtig!

Was sind Sie von Beruf? Vielleicht Krankenpfleger? Dann können 33 Prozent Ihres Berufes automatisiert werden; ebenso groß ist der Anteil, wenn Sie Rechtsanwältin sind. Sie sind Bankkauffrau? Oje, 88 Prozent. Produktdesigner haben es mit 20 Prozent besser, Fachverkäufer leiden unter 50 Prozent, Verlagskaufleute gar unter 57 Prozent, und Gebäudereiniger freuen sich über nur 13 Prozent Automatisierungsgrad ihrer Jobs.

Diese Werte sagen natürlich weder etwas über die Zukunftsfähigkeit Ihres Berufes aus, noch über den Wert, den er für die Gesellschaft hat. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt in seinem Job-Futuromat solche Prognosen, indem es die typischen Tätigkeiten in allen Berufsbildern analysiert und diese dann hinsichtlich der Möglichkeiten einer Automatisierung bewertet. Manche Tätigkeiten fallen komplett weg, andere bleiben bestehen, werden aber zukünftig von Robotern, Software und Algorithmen übernommen. Und wieder andere Jobs werden zwar von Menschen ausgeführt, dabei aber unterstützt von Maschinen. Diese sind nämlich nicht zwangsläufig ein Ersatz für menschliche Arbeitskraft, sondern arbeiten oft genug zusammen mit uns.

Für einen Vortrag bei einem großen deutschen Automobilunternehmen konnte ich genauer untersuchen, wie groß der Einfluss von »Kollegin KI« in den existierenden Teamstrukturen bereits ist. Künstliche Intelligenz spielt in der Mobilitätsbranche in immer mehr Berufsbildern eine Rolle: Sie assistiert den Designern oder Ingenieurinnen des Unternehmens als hilfreiche Partnerin bei neuen dreidimensionalen Darstelungs- und Gestaltungswerkzeugen und ist dabei in der Lage, das Design einzelner Teile vorzuschlagen, die dann besonders materialarm oder belastbar sind. In der Fertigung unterstützen Roboter schon lange bei schweren Tätigkeiten oder solchen, die Präzision im Millimeterbereich erfordern. Zukünftig wird Maschinenlernen dort auch im Arbeitsschutz und bei der Qualitätssicherung eine wichtige Rolle spielen, weil Kameras schnell Abweichungen von der gewünschten Norm wahrnehmen können: Herumliegende Werkzeuge oder Personen in gefährlichen Situationen erkennen die Algorithmen ebenso schnell, wie Fehler in Bauteilen. Und natürlich unterstützen Algorithmen auch im Marketing und bei der Kundenansprache. Interessanterweise ist mir in den Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens niemand begegnet, der Furcht davor hatte, dass ihnen Künstliche Intelligenz den Job stiehlt.

Ganz anders sieht es im Dienstleistungsbereich der Mobilitätsbranche aus. Hier gibt KI oft den Takt für die menschlichen Mitarbeiter vor, etwa wenn die Algorithmen von Uber den Fahrern sagen, wann sie wohin zu fahren haben. Dieses Beispiel ist auch deshalb interessant, weil die menschlichen Fahrer des Taxidienstes durch ihre Fahrtätigkeit gleichzeitig die Algorithmen für autonomes Fahren trainieren, die dann eines Tages ihre eigenen Lehrer ablösen werden. Uber hat schon an verschiedenen Stellen durchklingen lassen, dass die Zeit von Menschen hinter dem Steuer nur eine Übergangsphase ist, bis Maschinen die Fahrzeugsteuerung komplett übernehmen. Darauf setzen auch die Investoren des notorisch unprofitablen Aktienunternehmens. Menschen wären zukünftig in der kompletten Uber-Wertschöpfung von der App zur Beauftragung über die Steuerung im autonomen Auto bis hin zur Abrechnung mit digitalen Währungen nicht mehr nötig."