Stephan Anpalagan ist der „Lieblingscousin an der Familientafel Deutschland“, das hat Micky Beisenherz mal gesagt, aber wenn er – klug und rhetorisch brillant – mit ein, zwei druckreif formulierten Sätzen den Kern eines Problems freilegt, kann man auch auf einem lärmumtosten Buchmesse-Forum die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören. Stephan Anpalagan, 1984 in Sri Lanka geboren, aufgewachsen in Wuppertal, ist Geschäftsführer einer Gemeinnützigen Strategieberatung, Lehrbeauftragter an einer Polizeihochschule in NRW, Podcaster und Autor, heimste womöglich die Hälfte der Redezeit auf einem rappelvollen, vom PEN Berlin organisierten Podium am Buchmesse-Sonntag ein, das mit der „aspekte“-Literaturpreisgewinnerin Miku Sophie Kühmel und dem Autor Max Annas eh schon gut besetzt war. Die von Sophie Sumburane moderierte Runde Wie Rechte reden ging vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen im Osten der Frage nach, wie Sprache Radikalisierung beeinflusst – und was andererseits Sprache und Literatur im Kampf gegen Rechtsextremismus tun können. In einer etymologischen Tour de Force erinnerte Anpalagan daran, dass es die Mitte der Gesellschaft und etablierte Medien waren, die von „Döner-Morden“ sprachen und schon bald nach der Selbst-Enttarnung der „Zwickauer Terrorzelle“ um Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe deren Selbstbezeichnung „NSU“ übernahmen. Das Spiel vieler AfD-Politiker, verbal zuzuspitzen und dann rhetorisch zurückzurudern, wird auch anderswo gespielt: Mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ konnte man in NRW Ministerpräsident werden, beim Wahlkampfschlager doppelte Staatsbürgerschaft wurde auf hessischen Marktplätzen schon mal gefragt, wo man „gegen Ausländer unterschreiben“ könne. Für den Rheinländer Anpalagan, dem nach der Veranstaltung ein älteres Ehepaar für seine Klarheit gratuliert („Wir kennen auch einen Inder“), geht es schlicht darum, ob wir mit „Yes, we can!“ oder „Wir müssen in großem Stil abschieben“ in die Geschichtsbücher eingehen. Miku Sophie Kühmel, 1992 im thüringischen Gotha geboren (am Familientisch ist von „unserem West-Baby“ die Rede), arbeitet gerade an ihrem dritten Roman, der vor 100 Jahren spielt. Bei den Recherchen stieß sie auch auf die erste Amtshandlung des ersten NSDAP-Bürgermeisters in der Bauhaus-Stadt Dessau: „Er ließ die durchgängige Kleinschreibung verbieten.“