Russische Literatur in Ukraine

„Weiße Liste“ statt „Totalboykott“

22. März 2022
Redaktion Börsenblatt

Andrej Kurkow, Präsident des ukrainischen Schriftstellerverbands PEN, reagiert auf Kritik zum Boykott-Aufruf russischer Literatur.

Was Tolstoi, Puschkin und Dostojewski angeht - niemand verbrennt ihre Bücher in der Ukraine. In der Ukraine werden überhaupt keine Bücher verbrannt. Stattdessen verbrennt und bombardiert die russische Armee ukrainische Museen, Kirchen, Gedenkstätten.

„Was Tolstoi, Puschkin und Dostojewski angeht - niemand verbrennt ihre Bücher in der Ukraine. In der Ukraine werden überhaupt keine Bücher verbrannt. Stattdessen verbrennt und bombardiert die russische Armee ukrainische Museen, Kirchen, Gedenkstätten“, stellte Diogenes-Autor Andrej Kurkow auf der ukrainischen PEN-Seite klar. Der Autor ist in St. Petersburg geboren, lebt seit seiner Kindheit in der Ukraine.

Statt eines Totalbokyotts russischer Literatur fordere der ukrainische PEN nun zumindest die Unterstützer:innen der ukrainischen Sache vom Boykott ausschließen, so Kurkow. „Ja, die ‚schwarze Liste‘ ist nicht die beste Praxis. Mehr noch, wir wissen, dass nicht alle russischen Schriftsteller den offenen Brief zur Unterstützung der Aggression in der Ukraine unterschrieben haben, der kürzlich von der Literaturnaya Gazeta in Moskau veröffentlicht wurde. Deshalb schlage ich vor, eine ‚weiße Liste‘ mit den Namen der russischen Kulturschaffenden zu erstellen, die sich nicht scheuen, ihre Stimme gegen Putin und den Krieg in der Ukraine zu erheben. Unterstützen wir diejenigen, die uns unterstützen.“

Dass der in Deutschland und vom internationalen PEN stark kritisierte Boykott-Aufruf „Elemente von Hassrede“ enthalte, wies Kurkow zurück. „Wir werden verleumdet“, so der Autor. Er rief die Weltgemeinschaft und insbesondere die EU-Bürger:innen auf, sich der ukrainischen Literatur zuzuwenden: „Wenn Sie mehr über die ‚geheimnisvolle russische Seele‘ lesen und wissen wollen, fahren Sie fort! Wenn ich Sie wäre, würde ich jetzt Bücher über die Ukraine lesen. Über Russland weiß sowieso schon jeder sehr viel. Es ist an der Zeit, etwas über die Geschichte und die Kultur der Ukraine zu erfahren.“