Unter den Gästen ist die Vorsteherin, die ja auch Mainzer Verlegerin ist und gerade aus einer Videokonferenz mit Friedenspreisträger Amartya Sen kommt: "Es macht mich sehr traurig, ihn nicht am Sonntag in der Paulskirche zu sehen", sagt Karin Schmidt-Friderichs, die mit ihrem Mann Bertram vorm Monitor sitzt. Ebenfalls dabei ist Schriftsteller Ilija Trojanow, der seine Verbindung nach Hessen offenbart: "Ich bin Fan von Eintracht Frankfurt …". Und nach Rheinland-Pfalz?, fragt Felix Zeltner. "Ich war 2007 Stadtschreiber von Mainz und hab' auch dort in der Stadtschreiberwohnung im Gutenberg-Museum gewohnt." Trojanow berichtet von seinen Erfahrungen, den Buchmarkt in der Pandemie betreffend: "Große Buchhandlungen – große Krisen, die kleinen Buchhandlungen haben es besser geschafft, da läuft es." Er habe von vielen Kindern gehört, die viel gelesen, von Menschen, die Unmengen von Büchern gekauft hätten: "Es sind ganz unterschiedliche Geschichten, auch Geschichten von Hoffnungen." Generell seien große Strukturen problematisch, bei kleineren sei viel mehr Flexibilität und Kreativität möglich: "Small is beautiful …" Kultur und Literatur, findet der Schriftsteller, "ist Allgemeinwohl, ist Allmende – ich hätte niemals über sieben Jahre lang einen Roman wie den 'Weltensammler' schreiben können ohne Förderungen." Auch eine reichhaltige Kulturszene sei ungemein wichtig und werde von vielen Lesern so erfahren: "Aah, zum ersten Mal seit dem Lockdown bin ich wieder draußen, das ist so schön", habe er oft bei den Lesungen gehört. Die englische Redewendung "Count your blessings" sei hier angebracht: "Wir können dankbar sein für das, was wir haben – und dafür kämpfen."
Unterbrochen von kleinen Gitarre- und Gesangstücken treffen sich je fünf, sechs Gäste in virtuellen Räumen; die anfängliche Schüchternheit, wer denn nun mit dem Reden anfangen soll, wird bald überwunden, alle tasten sich an ein Gesprächsthema heran, es werden Gemeinsamkeiten entdeckt: Hier finden Fotografen zueinander, dort wird das fehlende Messefeeling thematisiert. Oder ein mexikanischer Autor bekennt, eigentlich nicht gut deutsch zu sprechen, aber die deutschsprachige Lyrik mit ihrem Rhythmus so zu mögen und rezitiert dann aus dem Gedächtnis ein Rilke-Gedicht, dass den anderen der Mund offen stehen bleibt: Momente, wo Wortklänge sehr, sehr fühlbar verbinden.
Dann geht es schon wieder zurück in den großen Saal mit allen, dann wieder in einen kleinen Raum mit sechs anderen Gästen, und im Nu ist die Stunde mit Grauburgunder und Apfelwein herum und viele prosten und posten noch einmal, dass sie ja gar nicht gewusst hätten, was auf sie in "The Hof" zukommt, aber dass sie jetzt positiv überrascht sind, viele Eindrücke haben und ihnen eigentlich gar nichts gefehlt hat. Oder doch: Hat jemand auf den Bildschirmen ein geripptes Apfelweinglas entdeckt? Oder war der Grauburgunder in der Überzahl?