Writers in Exile

Vermisster Mohammad Dawood Siawash ist tot

21. September 2023
Redaktion Börsenblatt

Der seit Sonntag vermisste afghanische Journalist und Writers-in-Exile-Stipendiat Mohammad Dawood Siawash wurde am Mittwoch von der Polizei in Fürth tot aufgefunden. Eine Obduktion wurde angeordnet. Hinweise, die auf ein Gewaltverbrechen hindeuten, seien bisher aber nicht gefunden worden. 

Dawood Siawash

Noch am Mittwoch wies das deutsche PEN-Zentrum auf ihren vermissten afghanischen Writers-in-Exile-Stipendiaten Mohammad Dawood Siawash hin.

Nun meldet die Polizei Mittelfranken, am Mittwochnachmittag die Leiche des Vermissten gefunden zu haben. Seit Montagvormittag hatte die Polizei und Feuer gemeinsam mit Suchhunden, der Reiterstaffel Mittelfranken, Polizeihubschrauber, Drohnen sowie Booten und Tauchern nach Dawood in seinem Wohnort Fürth gesucht.

„Hinweise, die auf ein Gewaltverbrechen hindeuten, fanden sich bislang nicht. Zur Klärung der genauen Todesumstände wurde seitens der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eine Obduktion des Leichnams angeordnet“, teilt das Polizeipräsidium Mittelfranken außerdem mit.

Dawood war seit mehr als 40 Jahren als Journalist, Schriftsteller, Aktivist, Dichter und Forscher tätig. Er war der Gründer und Chefredakteur von Armaghan e Melli, einer unabhängigen Lokalzeitung in Afghanistan. 

Vor knapp drei Jahren wurde sein Sohn, der Journalist Yama Siawash, bei einem gezielten Anschlag in Afghanistan getötet. Seitdem setzte sich Dawood für die Aufklärung des Attentats ein und drängte die internationale Gemeinschaft dazu, den Mörder und den Unterstützer des Täters vor Gericht zu stellen. Er hatte den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht.

 

Nachruf von Astrid Vehstedt für das PEN-Zentrum Deutschland und das Writers-in-Exile-Programm

Geboren am 5. Juni 1955 in Kapsia, Afghanistan, war er in seiner Heimat nicht nur ein angesehener Schriftsteller und Journalist, sondern auch ein Kritiker der afghanischen Regierung, wenn es um Machtmissbrauch und Korruption ging. Mit Afghanistan verbindet uns das Bild von Krieg und Terror. Dawood Siawash gehörte zu denen, die ihrem Land eine andere Stimme gaben: eine Stimme des Friedens, der Menschlichkeit und der Künste als Gegenentwurf zu Gewalt und Zerstörung. Aber er war nicht nur diese Stimme: er lebte das, was er sagte und schrieb. Seine Arbeit für Zeitungen, die er entweder gründete oder für die er Texte verfasste, darunter die Zeitung „Armaghan-e-Melli“ („Nationales Geschenk“), oder seine intensive Auseinandersetzung mit dem aus Afghanistan stammenden Sufi-Gelehrten Dschalal ad-Din ar-Rumi (1207-1273), dessen Weisheiten er ganz besonders Kindern vermittelte, zeugten von seiner tiefen Menschlichkeit. Diejenigen, die ihn kennenlernen durften, erlebten einen ganz besonderen Menschen. Die Frage nach dem „Warum“ von Krieg und Unmenschlichkeit trieb ihn zeitlebens um.

Ein schwerer Schlag traf die Familie, als sein ältester Sohn Yama am 7. November 2020 in Kabul durch eine Autobombe ermordet wurde. Es war ein gezielter Anschlag auf den jungen Journalisten, der, wie sein Vater, über Missstände und Korruption in seinem Land aufklärte.

Kurze Zeit später floh die Familie über Indien nach Deutschland. Hier arbeitete Dawood Siawash unermüdlich weiter. Die Ermordung seines Sohnes kam in mehreren seiner hier geschriebenen Gedichte zum Ausdruck. Eines davon trug er im Mai anlässlich der PEN-Tagung in Tübingen vor; ein erschütternder aber wichtiger Moment in seinem Leben, wie er später sagte. Noch am 23. August war er, in guter Verfassung, im Schloss Bellevue, anlässlich eines Empfangs des Bundespräsidenten.

Seit dem Abend des 17. September galt Dawood Siawash als vermisst. Die Nachricht seines Todes, die wir am 20. September erhielten, erfüllt uns mit schmerzlicher Trauer. Unser Mitgefühl gilt ganz besonders seiner Familie, vor allem auch seinem Sohn Baktash, ebenfalls Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms. Dawood hinterlässt seine Frau und fünf Kinder.

Wir danken allen Einsatz- und Rettungskräften, die sehr umfangreich nach Dawood Siawash gesucht haben. Gleichermaßen gilt unser Dank allen, die mit der Familie verbunden sind und ihr in diesen unfassbaren Stunden zur Seite stehen.

Für das PEN-Zentrum Deutschland und das Writers-in-Exile Programm

Astrid Vehstedt
Writers-in-Exile-Beauftragte und Vizepräsidentin