Katharina Hacker schreibt an Siv Bublitz

"Traurig, dass Sie nicht länger meine Verlegerin sind"

7. September 2022
Redaktion Börsenblatt

Siv Bublitz geht bei S. Fischer, Oliver Vogel kommt zurück: eine Personalie mit Aplomb. In den Medien kam die Ausscheidende nicht gut weg. Die Schriftstellerin Katharina Hacker hingegen blickt dankbar auf die Jahre mit ihrer nun Ex-Verlegerin.

Manchen Feuilletons erschien das Aus von Siv Bublitz bei S. Fischer als eine Art Holtzbrinck-Halse in großer Reputationsgefahr. In dieser Erzählung steht Bublitz für den Kurs, sich bei Literatur vorrangig um deren Deckungsbeitrag zu sorgen. Katharina Hacker, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises von 2006, widerspricht. Sie hat ihre Verlegerin sehr schätzen gelernt. 

Sie sei "eine kommerziell leider gänzlich sinnlose Autorin des Fischer Verlages", schreibt Katharina Hacker der Börsenblatt-Redaktion, und habe daher auf Siv Bublitz zunächst misstrauisch reagiert. Aber dann wandelte sich ihre skeptische Haltung zu der neuen verlegerischen Geschäftsführerin in Frankfurt: "In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass sie für Autorinnen wie mich eine ganz wunderbare solidarische und klare Verlegerin ist. Insofern bin ich betrübt, dass sie geht."

Hacker dankt Bublitz in einem liebenswürdigen Brief. Sie gab ihn uns, damit die Buchbranche mitlesen kann – und eine weitere, bisher nicht öffentlich gewordene Perspektive auf die spektakulärste Verlagspersonalie der letzten Zeit sichtbar wird. 

Hier ist Katharina Hackers Brief im Wortlaut:

Liebe Frau Bublitz,  

es hat etwas durchaus Wackeliges, wenn man sich Entscheidungen, die einen doch nur als Nebenfigur betreffen und die man auch nur von einer Seite aus beurteilen kann, zu Herzen nimmt. Aber dies vorzeitige Ende Ihrer Zeit als Verlegerin des S. Fischer Verlages nehme ich mir zu Herzen. 

Mir schien, dass Sie in den vergangenen Jahren nun gerade die Verlegerin geworden sind, die der Fischer Verlag verdient hat und dass Sie es mehr und mehr würden.  

Als Autorin hatte ich das Gefühl, wohlüberlegt unterstützt zu werden – nicht aus kommerziellen Gründen (leider, muss ich natürlich sagen), sondern aus literarischen, aus der Überzeugung heraus, dass die, die eigensinnig bleiben und nicht – um das widerwurzige Wort zu nutzen – reüssieren im Moment, womöglich das Fundament liefern für bedeutsame Literatur, jenseits allfälliger Narrative, jenseits dessen, was in seiner Aufgeregtheit am Ende doch nur beruhigt und beschwichtigt.  

Es wurde deutlich, dass Sie auch Literatur fördern, die sucht und hadert und festlich ist in der Sprache und hartnäckig in ihrer Idee von wachem Glück. Und dass Sie persönlich weder pompös noch geltungssüchtig auftreten. 

Ich hatte auch den Eindruck, dass ich mich menschlich (und politisch) auf Sie verlassen kann.  

Als jemand, die Jahre an einem Buch schreibt, leuchten mir rasche Wechsel gar nicht ein. 

Wir Autoren haben Glück. Über Oliver Vogels Kommen kann man sich nur freuen, intellektuell, literarisch, menschlich. 

Ich bin trotzdem traurig, dass Sie nicht länger meine Verlegerin sind. Und ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung. 

Katharina Hacker