Berliner Literaturpreis 2022

Steffen Mensching ausgezeichnet

1. März 2022
Redaktion Börsenblatt

Der mit 30.000 Euro dotierte Literaturpreis geht an Steffen Mensching für sein lyrisches und erzählerisches Gesamtwerk.

Die Jury begründet ihr Urteil wie folgt:

„‘Unberechenbar im Kurvenverlauf,/ Mit einer Zunge stumpf wie ein Radiergummi‘ – mit diesem Verspaar markierte Steffen Mensching 1984 in seinem Lyrikband ‚Erinnerung an eine Milchglasscheibe‘ das Handwerk des Dichters. So lakonisch er damals die Wirklichkeit der späten DDR in den Blick nahm, so erzählerisch vielfältig waren seine späteren Bücher gestaltet, zu denen der Bibliotheksroman ‚Jakobs Leiter‘ (2003) oder die Abenteuer eines verkrachten Literaturwissenschaftlers ‚Lustigs Flucht‘ (2005) gehörten. An die verknappte, pointierte Ästhetik seiner frühen Jahre schließt sein jüngster Gedichtband ‚In der Brandung des Traums‘ (Wallstein, 2021) an. Opulent, mitreißend und überbordend kommt sein Hauptwerk ‚Schermanns Augen‘ von (Wallstein, btb, 2018) daher. Mit sprachlichem Feingefühl und historischer Genauigkeit arbeitet Steffen Mensching die authentische Geschichte des jüdischen Graphologen Rafael Schermann auf und stellt ihm einen fiktiven Begleiter zur Seite. Nicht nur die Welt des Gulags gewinnt bedrängende Gegenwärtigkeit, sondern auch das Wien der 1920er Jahre. In der Auseinandersetzung mit Peter Weiss’ Ästhetik des Widerstands geht es auch um die Zwangslage des Individuums in einem totalitären System. ‚Schermanns Augen‘ ist ein herausragender Roman. Mit großem Einfühlungsvermögen wechselt Steffen Mensching zwischen Nähe und Distanz. Ohne dem Grauen seinen Schrecken zu nehmen, wird Komik zu einem widerständigen Element.“

Der Jury gehören an:

  • Maike Albath
  • Claudia Albert
  • Michael Gamper
  • Cornelia Geißler
  • Ernest Wichner

Der Berliner Literaturpreis soll der Förderung der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur der Gattungen Epik, Dramatik und Lyrik dienen. Der Preis ist mit insgesamt 30.000 Euro dotiert und wird öffentlich von der Regierenden Bürgermeisterin des Landes Berlin im Roten Rathaus verliehen. Mit dem Preis soll eine Autorin oder ein Autor gewürdigt werden, deren bisheriges literarisches Schaffen „einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur geleistet“ hat. Seit dem Jahr 2005 ist der Preis mit dem Angebot der Berufung auf eine undotierte Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin verbunden.