Von leider sehr gegenwärtigem Unheil erzählt schließlich der im Donbass spielende Kriegsroman »Internat« des ukrainischen Friedenspreisträgers Serhij Zhadan. Im Zentrum steht kein patriotischer Held, sondern jemand, der sich lieber aus allem heraushalten würde: ein kurzsichtiger Lehrer mit Herzbeschwerden und einer verkrüppelten Hand. Als seine Stadt von Separatisten besetzt wird, macht er sich auf den Weg, um seinen Neffen aus dem Internat abzuholen. Die Menschen, denen er unterwegs begegnet und die mit ihm von einem Unterschlupf zum nächsten hasten, sind die Opfer eines Krieges, der wie ein metaphysisches Verhängnis über die Welt gekommen zu sein scheint. Wie in einem postapokalyptischen Film werden die Eindrücke der zerschossenen Stadt gezeigt: Die aufgerissenen Häuser haben ihren Inhalt erbrochen, Habseligkeiten liegen im dreckigen Winterschnee. Und plötzlich dröhnen in der Nähe schaurig die Panzermotoren. Oft weiß der Lehrer nicht, wen er gerade vor sich hat: Separatisten? Ukrainische Soldaten? Alle sind bedrohlich. Das Geschehen kennt keine Regeln, Schmerz und Tod lauern überall.
Der Schauspieler Frank Arnold verleiht jedem Satz des Romans Dringlichkeit und akustische Schärfe (Audiobuch / Steinbach sprechende Bücher, 689 Min., 20 Euro). Die Über-Wachheit, die der Lehrer braucht, um sich zwischen den ungewissen Frontlinien zu bewegen, bestimmt seine Lesung. In den Dialogen vermeidet Arnold den Konversationston friedlicher Zeiten. Die Menschen sprechen alarmiert, gereizt, panisch. Oder aber, sofern sie Waffen tragen, provozierend und bedrohlich. Das Buch ist im Original 2017 erschienen, während im Donbass bereits gekämpft wurde, ohne dass die Welt viel Notiz davon nehmen wollte.