Sachbücher des Monats September

München 72, Afghanistan und Zugvögel

26. August 2022
Redaktion Börsenblatt

Die Bandbreite der zehn Titel auf der Bestenliste "Sachbücher des Monats" September ist groß. Ganz nach vorn hat die Jury eine Analyse der deutschen Justiz 1943–1948, die deren Kontinuitäten herausarbeitet, gesetzt.

Die "Sachbücher des Monats" werden von der "Welt", "RBB Kultur", "Neue Zürcher Zeitung" und ORF-Radio Österreich 1 veranstaltet – und von einer Jury bestimmt. 

Im September 2022 stehen laut Mitteilung folgende Titel auf der Bestenliste:

  1. Benjamin Lahusen: "Der Dienstbetrieb ist nicht gestört. Die Deutschen und ihre Justiz 1943–1948", C. H. Beck, 384 Seiten, 34 Euro
  2. Markus Brauckmann/Gregor Schöllgen: "München 72. Ein deutscher Sommer", Deutsche Verlags-Anstalt, 368 Seiten, 25 Euro
  3. Wolfgang Bauer: "Am Ende der Straße. Afghanistan zwischen Hoffnung und Scheitern. Eine Reportage", Suhrkamp, 399 Seiten, 24 Euro
  4. Rebecca Solnit: "Orwells Rosen. Übersetzt von Michaela Grabinger", Rowohlt, 352 Seiten, 24 Euro
  5. Irina Rastorgueva: "Das Russlandsimulakrum. Kleine Kulturgeschichte des politischen Protests in Russland", Matthes & Seitz Berlin, 276 Seiten, 20 Euro
  6. Scott Weidensaul. "Auf Schwingen um die Welt. Die globale Odyssee der Zugvögel". Übersetzt von Sebastian Vogel, hanserblau, 400 Seiten, 26 Euro
  7. Ben Wilson: "Metropolen. Die Weltgeschichte der Menschheit in den Städten". Übersetzt von Irmengard Gabler, S. Fischer, 574 Seiten, 34 Euro
  8. Andreas Schäfer: "Die Schuhe meines Vaters", DuMont Buchverlag, 192 Seiten, 22 Euro
  9. Antonia Rados: "Afghanistan von innen. Wie der Frieden verspielt wurde", Christian Brandstätter Verlag, 374 Seiten, 25 Euro
  10. Robert Misik: "Das grosse Beginnergefühl. Moderne, Zeitgeist, Revolution", Suhrkamp (es), 284 Seiten, 18 Euro

Jury-Mitglied Konrad Paul Liessmann (Prof. em. für Philosophie Uni Wien) empfiehlt:

  • Thomas Macho: "Warum wir Tiere essen", Molden, 128 Seiten, 22 Euro

Liessmanns Bebründung: "Schon der Titel dieses schmalen, eleganten Buches verblüfft: In der Regel erwarten wir, geht es um Ernährungsfragen, eher die Frage, ob wir Tiere überhaupt noch verspeisen dürfen. Thomas Macho geht schlicht von dem Faktum eines steigenden globalen Fleischkonsums aus, und fragt danach, warum dies so ist. Seine Antwort ist so einfach wie erstaunlich: Weil wir Tiere sind. Und manche Tiere ernähren sich eben von anderen Tieren. Die moderne These, dass der Mensch sich keine Sonderstellung anmaßen darf, gewinnt damit eine besondere Pointe. Mit der Überlegung, dass der Mensch in seiner Evolution ursprünglich allerdings nicht der Jäger, sondern der von anderen Tieren Gejagte war, und dass sich dies tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben hat, eröffnet Macho eine kulturgeschichtliche Perspektive auf das Verhältnis von Tier und Mensch, die spannend und überdies ungemein lehrreich ist. Allein die Reflexionen über fundamentale Hungererfahrungen und modische Askese lohnen die Lektüre. Der Essay schließt mit dem nüchternen, völlig unideologisch vorgetragenen Hinweis, dass wir viele Wege beschreiten müssen, um eine aus guten Gründen anzustrebende Reduktion des Fleischverzehrs zu erreichen. Der Vorschlag, nur noch jene Tiere zu essen, die man selbst getötet hat, macht schlagartig klar, dass wir uns Tiere auch deshalb einverleiben, weil wir angesichts der appetitlich präparierten Fleischstücke im Supermarkt kaum noch mitbekommen, dass dafür Lebewesen sterben mussten." 

Die Jury:

Tobias Becker, Der Spiegel; Manon Bischoff, Spektrum der Wissenschaft; Natascha Freundel, RBB-Kultur; Dr. Eike Gebhardt, Berlin; Knud von Harbou, Feldafing; Prof. Jochen Hörisch, Uni Mannheim; Günter Kaindlstorfer, Wien; Dr. Otto Kallscheuer, Sassari, Italien; Petra Kammann, Feuilleton Frankfurt; Jörg-Dieter Kogel, Bremen; Dr. Wilhelm Krull, The New Institute, Hamburg; Marianna Lieder, Freie Kritikerin, Berlin; Prof. Dr. Herfried Münkler, Humboldt Universität zu Berlin; Gerlinde Pölsler, Der Falter, Wien; Marc Reichwein, DIE WELT; Thomas Ribi, Neue Zürcher Zeitung; Prof. Dr. Sandra Richter, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar; Wolfgang Ritschl, ORF Wien; Florian Rötzer, krass-und-konkret, München; Norbert Seitz, Berlin; Mag. Anne-Catherine Simon, Die Presse, Wien; Prof. Dr. Philipp Theisohn, Uni Zürich; Dr. Andreas Wang, Berlin; Prof. Dr. Harro Zimmermann, Bremen; Stefan Zweifel, Zürich.