Literaturfestival literaTurm

"Masche dazu, Wort dazu – Masche weg, Wort weg"

17. Mai 2024
Redaktion Börsenblatt

Ein spannender Wortwechsel zwischen Zsuzsa Bánk und Marica Bodrožić über die eigene Handschrift, eine Autorin mit dem besten Buchtitel der Saison: Nur zwei von 24 Veranstaltungen des Literaturfestivals literaTurm mit dem diesjährigen Thema "On Beauty". Nele Luisa Marggraf war dabei.

Anregendes Gespräch über die eigene Handschrift: Marica Bodrožić (links) und Zsuzsa Bánk im TaunusTurm

Das Literaturfestival literaTurm findet in der Woche vom 13.-18. Mai bereits zum 12. Mal als "Kombination aus schönen Hochhäusern und einem Themenschwerpunkt" in Frankfurt am Main statt, wie Programmleiterin Sonja Vandenrath die Essenz der Veranstaltung beschreibt. Schön sind in diesem Jahr jedoch nicht nur die Hochhäuser - Das diesjährige Thema "On Beauty" wird in 24 Veranstaltungen mit mehr als 60 Beteiligten in vielen unterschiedlichen Formen verhandelt: "Von der Schönheit der Vernunft", "das Kunstschöne" und "Eleganz heute" sind nur eine Auswahl der Veranstaltungen, die die Besucher:innen in dieser Woche erwartet haben. Einblicke.

"Es gibt keinen Hashtag für das, was ich sagen will"

Der ausgefallene Buchtitel: "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten" etwa lockte am Dienstagabend Besucher:innen aller Altersgruppen in den Mousonturm, der als Künstler*innenhaus fungiert. Der Weg führt, passend zum Veranstaltungstitel, durch den von Wein trinkenden Besucher:innen flankierten, gut gefüllten Hinterhof des Hauses, und auch in der dritten Etage sind die rund 30 Stühle des kleinen Saals fast alle belegt. Anstelle der als Moderatorin angekündigten Autorin Anna Yeliz Schentke betritt Björn Jager, der seit 2016 das Hessische Literaturforum im Künstlerhaus Mousonturm leitet, zusammen mit Slata Roschal die Bühne. Roschal, die 2023 den BücherFrauen-Literaturpreis "Christine" gewann, spricht über ihr neuestes Buch "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten" (Ullstein), mit dem sie sich laut Jager für den besten Buchtitel der Saison qualifiziert habe.

Wenn Roschal aus ihrem Werk liest, das sie treffend als "Puzzle" oder sogar "Anti-Roman" beschreibt, ist es in den ersten Momenten nicht ganz leicht, ihr zu folgen. Der Text ist sprunghaft, assoziativ und hat einen sehr speziellen Ton, der noch durch ihre Art des Vorlesens verstärkt wird, die stark an die Lesart von Lyrik erinnert – oder mit ihren kontrastreichen Zeilenumbrüchen gar an eine gediegene Form des Poetry-Slams. Roschal nimmt die Anwesenden mit in ein Berliner Hotelzimmer, in dem ihre Protagonistin – eine Übersetzerin und junge Mutter – die Welt, ihre Mutterrolle, Ängste und ihr eigenes Leben reflektiert.

Ihr Text scheint schonungslos gegenüber der Protagonistin und ihrer Welt zu sein, die Autorin entwirft eine Mutterfigur, die "unangenehm bleibt und keine Heldin wird" – Roschal will "kein ideologisches Manifest, das missbraucht werden kann". Stattdessen spricht sie sich gegen billige Kontraste in der Literatur aus: "Es gibt keinen Hashtag für das, was ich sagen will". Jager führt mit zielsicheren Fragen durch den Abend, die es schaffen, eine Bahn durch den Dschungel von Roschals verschachteltem Werk zu schlagen und dessen Hintergründe näher zu beleuchten. Auch das Kernthema "Schönheit", das vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, schimmert hier in der wohlgewählten Form des Romans sowie in der Symbiose aus Verzweiflung und Hoffnung der Protagonistin durch. "Ich mag das Ende des Romans, deswegen lese ich es ungerne vor", sagt Roschal, worauf das Publikum schmunzelt und Jager die Veranstaltung mit den Worten: "Dieses Buch ist Kunst" beendet.

"Der starke Mut zum Ernst"

Ein zweiter Einblick: Am Donnerstagabend lud literaTurm mit dem verheißungsvollen Titel "Das schöne Schreiben" in die erste Etage des TaunusTurms am Willy-Brandt-Platz ein. Der kleine Raum ist voll, Menschen setzen sich vor die Bühne auf den Boden, um dem Gespräch zwischen den Schriftstellerinnen Zsuzsa Bánk und Marica Bodrožić zuzuhören. Programmleiterin Sonja Vandenrath gibt eine kleine Einführung, in der sie den Abend als „Glutkern“ des Festivals beschreibt. Mit Judith von Sternburg, Feuilleton-Redakteurin der "Frankfurter Rundschau" und Moderatorin des Abends, steigen die Autorinnen direkt in ein Gespräch ein, das das Motto des Festivals als roten Faden deutlich erkennen lässt: Es geht um schöne Handschriften und den persönlichen Bezug der Autorinnen zu ihrer eigenen Schrift. Sie schreiben mit Füller, ziehen Tinte routiniert auf, dicke, weiße Stapel Papier sind Teil des alltäglichen modus operandi. "Ob meine Handschrift nun schön ist, weiß ich nicht", sagt Bánk, "aber es ist wirklich meine". Das Publikum lacht, und das nicht zum letzten Mal. Es ist ein Abend der, trotz der Wirkmächtigkeit der vorgelesenen Texte, leicht ist. Die Autorinnen sprechen vom "starken Mut zum Ernst", der ihre Texte vereint, dem Wunsch nach einem ästhetischen Wert ihrer Werke, einer Melodie, Rhythmus und Musikalität, einer Eleganz, einem "Zurückschauen und Sich-nicht-schämen-müssen" für das, was man vor Jahren geschrieben hat – einer Gültigkeit, die die Zeit überdauert.

Es geht um die "unbedingte Suche nach Schönheit, aber auch den langen Weg dahin". Das lange Feilen an Sätzen, das bei der Arbeit an den opulenten und doch eleganten Texten der Autorinnen an der Tagesordnung steht, wird so bildlich wie das Häkeln beschrieben: Masche dazu, Wort dazu – Masche weg, Wort weg. Als von Sternburg fragt, ob es schön sei zu schreiben, antwortet Bánk: "Es ist halt das Einzige, was ich kann", und erzählt von einer distinguierten Art von Glück, die nur beim Schreiben erzeugt werde, und von einer Leere, die mit nichts anderem zu füllen sei. Bodrožić fügt hinzu, dass dieses Glück, das nicht austauschbar sei mit etwas Anderem, definitiv keine Alltäglichkeit sei, jedoch bei der Vollendung eines Werkes immer wieder auftrete. Am Ende rät von Sternburg, ein signiertes Exemplar eines der Bücher der Autorinnen beim Büchertisch zu erwerben – dann könne man auch direkt die Handschrift sehen. Kein schlechtes Verkaufsargument, denkt das Publikum und der wirklich anregende Abend findet – ganz im Sinne des Themas – ein schönes Ende.