Nachruf von Rainer Nitsche auf Detlef Bluhm

"Lieber Detlef, Du hast dieser Welt gutgetan"

13. April 2023
Rainer Nitsche

"Detlef Bluhm war einer der angenehmsten Menschen, dem man in unserer Branche begegnen konnte", schreibt Transit-Verleger Rainer Nitsche in seinem sehr persönlichen Nachruf auf seinen Freund. Detlef Bluhm, langjähriger Geschäftsführer des Landesverbandes Berlin-Brandenburg, ist am 8. April mit 69 Jahren gestorben. Wir erinnern an ihn mit einer Bildergalerie.

Detlef Bluhm bei einer Tagung des Landesverbands Berlin-Brandburg, in dem er viele Jahre als engagierter Geschäftsführer tätig war. 

Die traurige Nachricht kam nicht unerwartet, aber doch plötzlich und brutal: am Ostersamstagmittag ist Detlef Bluhm gestorben. Zehn Tage vorher hatten wir uns bei ihm getroffen und lange, bis in den späten Abend, miteinander geredet. Es war klar, dass es möglicherweise unser letztes Treffen war, jeder wusste das, jeder versuchte aber auch, sich davon nicht erdrücken zu lassen. 

Detlef Bluhm war einer der angenehmsten Menschen, dem man in unserer, an angenehmen Menschen gar nicht mal so armen, Branche treffen konnte. Dieses Angenehme ging über Selbstverständlichkeiten wie Höflichkeit, Witz, Belesenheit, Neugierde, Risikofreude weit hinaus.

Er hatte ein einfaches, aber sehr intensives Verständnis von seinem Leben: Wenn du schon auf der Welt bist, solltest du dafür sorgen, dass die Welt das auch merkt und dass sie davon auch profitiert. Das betraf sein privates Leben, seine Großzügigkeit, seine anregende Geselligkeit, seine Zugewandtheit. Aber natürlich auch seine berufliche Arbeit, ob als Buchhändler, als Verlagsvertreter, als Vertriebsmensch, als Verleger, als Autor, als Geschäftsführer im Börsenverein, später auch als Fotograf (im Literaturhaus Berlin ist gerade seine Ausstellung "Nachts" zu sehen).

Immer versuchte er, aus dem alten Trott auszubrechen und alles in Bewegung zu setzen, um für mehr Aufmerksamkeit, mehr Erfolg, mehr Originalität der geliebten Bücherwelt zu sorgen. Und weil er nicht nur kreativ, sondern auch klug war, hat er schnell begriffen, dass gemeinsam mit anderen viel mehr zu schaffen ist als im heroischen, aber doch zermürbenden Einzelkämpfertum. Möglicherweise ist diese Erkenntnis aber auch seiner Lust auf Gesellschaft zu verdanken, seinem Spaß am Reden, Zuhören, am Philosophieren oder auch am Rumspinnen – alles war erlaubt außer Angeberei und Langeweile.

Detlef Bluhm war einer der angenehmsten Menschen, dem man in unserer, an angenehmen Menschen gar nicht mal so armen, Branche treffen konnte.

Rainer Nitsche

Er war auch einer der quirligsten Menschen in unserer Branche. Drei durchaus historische Beispiele: Als nach der Wende 1989 die Leipziger Buchmesse auf der Kippe stand, war er es, der mit anderen die Idee hatte und durchsetzte, von Berlin aus die Leipziger vehement zu unterstützen und das "Berliner Zimmer" auf der Messe als Signal für einen Neuanfang zu etablieren. Was etablieren heißt? Detlef und ich fuhren mit einem geliehenen Transporter zu verschiedenen Läden in Berlin, kauften Wein, Wasser, Espressobohnen, luden Gläser, Tassen, eine geliehene Espressomaschine ein und fuhren dann in verkehrter Richtung durch verschiedene Einbahnstraßen durch Leipzig, um zum alten Messehaus am Markt zu kommen. Das "Berliner Zimmer" war dann der Anlaufpunkt auf der Messe, nicht nur wegen des anspruchsvollen Programms.

Das gilt auch für das legendäre Berliner Bücherfest, das über Jahre eine der erfolgreichsten Marketingaktionen des deutschen Buchhandels war, basierend auf der Grundidee: die Bücher warten nicht darauf, dass Menschen zu ihnen kommen, die Bücher gehen auf die Menschen zu. Manchmal waren es an einem Wochenende achtzigtausend Besucher. Auch das verbunden mit nervenden Kleinarbeiten, Sponsoren akquirieren, Leute bei Laune halten selbst bei Sturm und Regen. Dass dieses Bücherfest in diesem Jahr seine Wiederauferstehung feiert, hat er noch mit bekommen, aber leider nicht mehr erlebt. Und ein weiteres Beispiel: die Auftritte der Berliner Verlage und ihrer Autorinnen, Autoren auf den Buchmessen in Prag, Warschau, Budapest, Paris und London, wo Detlef Bluhm sich als brillanter Tourneemanager hervortat.

Immer versuchte er, aus dem alten Trott auszubrechen und alles in Bewegung zu setzen, um für mehr Aufmerksamkeit, mehr Erfolg, mehr Originalität der geliebten Bücherwelt zu sorgen.

Rainer Nitsche

All das wurde koordiniert von der kleinen Geschäftsstelle unseres Landesverbands, heftig unterstützt von Mitarbeiterinnen und seiner Co-Geschäftsführerin Johanna Hahn, immer in engster Kooperation mit dem jeweiligen Vorstand und Verbandsmitgliedern. Ja, Detlef Bluhm war auch Geschäftsführer, ganz akkurat, aber er verstand dieses Rolle nie als nur dienende oder neutrale. Wenn man mit ihm zu politischen Terminen fuhr oder zu Verhandlungen nach Frankfurt, dann war immer klar, dass man bestimmte Ziele nur im  gemeinsamen Auftritt und nicht unbedingt in Harmonie erreichen konnte.

Nicht zu vergessen seine Belesenheit, seine ziemlich tief tauchende Kenntnis der Literaturgeschichte, von der wir bei verschiedenen Buchprojekten profitierten - es war eine Freude, sich mit ihm in Klausur eine Woche lang durch Haufen von Büchern, Fotokopien oder Exzerpten zu wählen und dann am Ende eine wunderbar komponierte Anthologie zu präsentieren, die trotz hohen Ironiegehalts bei Leserinnen, Lesern schönen Anklang fand.

Lieber Detlef, Du hast dieser Welt gutgetan. Ich stelle mir vor, Du sitzt irgendwo zwischen den Wolken an einem schön gedeckten Tisch, wartest auf ein gutes Essen und einen guten Wein, schreibst mit Deinem Füller kleine Schnipsel voller schöner Sätze und lässt sie herab segeln zu Ruth, der Liebe Deines Lebens. Und ab und zu auch einen Schnipsel für uns.

Rainer Nitsche, Transit Verlag