Autor und Mitbegründer des Psychiatrie Verlags

Klaus Dörner ist tot

27. September 2022
Redaktion Börsenblatt

Am 25. September ist der Psychiater und Psychiatriehistoriker Klaus Dörner im Alter von 88 Jahren gestorben. Der Psychiatrie Verlag nimmt Abschied von seinem Mitbegründer. Bekannt wurde Dörner unter anderem für sein Engagement in der Aufarbeitung der Medizinverbrechen in der NS-Zeit und durch Lehrbücher wie "Irren ist menschlich". 

Klaus Dörner wurde am 22. November 1933 in Duisburg geboren und war ein deutscher Psychiater und Psychiatriehistoriker. Er war unter anderem an der Reformierung und Modernisierung der Psychiatrie der vormaligen DDR beteiligt und engagierte sich für die Veröffentlichung der vollständigen Dokumentation des Nürnberger Ärzteprozesses.

Dafür schrieb er zwischen 1994 und 1998 mit Unterstützung der Bundesärzte- und Landesärztekammer alle Ärzte in Deutschland persönlich an und bat um finanzielle Unterstützung. Über 7900 Ärzte spendeten etwa 1,4 Millionen DM. Herausgegeben wurde die Mikrofiche-Edition „Der Nürnberger Ärzteprozess 1946/47“ und das Sammelwerk „Vernichten und Heilen“ (Aufbau) gemeinsam mit Angelika Ebbinghaus, in dem die deutschen Medizinverbrechen während der NS-Diktatur analysiert wurden.

Insbesondere sein Lehrbuch „Irren ist menschlich“ (Psychiatrie Verlag), das er gemeinsam mit Ursula Plog herausgegeben hat, ist zu einem Standardwerk der humanistischen Sozialpsychiatrie geworden und befindet sich aktuell in der 25. Auflage.

Außerdem engagierte er sich für die Pflege in Deutschland. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Am 25. September 2022 starb Klaus Dörner, wie der Psychiatrie Verlag mitteilt. Er verliert mit ihm seinen Mitbegründer, einen kritischen Begleiter und Freund, und eine der wichtigsten Stimmen im Verlag.

Hier der Nachruf des Psychiatrie Verlags

Er hinterlässt eine große Lücke – als Mensch und als Psychiater, der wie nur wenige die psychiatrische Landschaft in Deutschland bis heute verändert hat. Und mehr noch, Klaus Dörner hat das Denken und die Haltung psychiatrisch tätiger Menschen nachhaltig beeinflusst: Zusammen mit Ursula Plog hat er mit dem Lehrbuch "Irren ist menschlich" eine humanistische, demokratische, eben zutiefst menschliche Psychiatrie entworfen. Eine, in der psychiatrisch Tätige lernen, sich selbst und das eigene Handeln durch die Augen des Anderen wahrzunehmen. Eine Psychiatrie auf Augenhöhe.

Klaus Dörner war nicht nur Theoretiker, seine unvergessenen Vorträge und zahleichen Bücher waren immer unmittelbar auf die Praxis bezogen, ob es um die Verwicklung deutscher Psychiater:innen in die Verbrechen der Nationalsozialisten ging, um gesellschaftliche Verantwortung, um (Versorgungs-)Politik oder um Wohn- und Lebensformen im Alter – sein Denken drehte sich ganz konkret um den menschlichen Umgang, um Achtung und Haltung. Der Appell: Psychiatrie "aus der Sicht der 'Schwächsten' denken."

Damit geriet er von Anfang an in die Schusslinie traditioneller, hierarchischer Strukturen und deren Vertreter*innen, doch "… wer über das Bestehende hinaus will, kann nicht mit Zustimmung rechnen, schon gar nicht von denen, die Ihr eigenes Profi-Profil bedroht sehen müssen."

Klaus Dörner ist sich bis zuletzt treu geblieben – und wenn es heute selbstverständlich ist (oder sein sollte), Angehörige, Peers und Selbsthilfe, Gemeindeorientierung und Hometreatment als unverzichtbare Elemente des Recoveryprozesses zu begreifen, so hat er einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran.

"Der Mensch ist zudem sowohl geeignet als auch gezwungen, sich zu überschreiten, sich zu transzendieren – auf andere Menschen hin, auf die Zukunft hin, auf die Natur hin … " Klaus Dörner, 1993