Klett Kinderbuch Verlag

Hassreden gegen Autorin

15. Dezember 2023
Redaktion Börsenblatt

Seit drei Wochen nutzen rechte Kreise ein bereits vor zwei Jahren erschienenes Kinderbuch für Hate Speech gegen die Autorin. Eigentliche Zielscheibe sind aber ihr Mann und die Bundesregierung. Dabei werden mit Textpassagen aus dem Buch verschwörerische Zusammenhänge konstruiert.

Beschimpfungen auch via E-Mail

Das 2021 im Klett Kinderbuch Verlag erschienene Sachbilderbuch "Die besten Weltuntergänge" für Kinder ab 8 Jahre beschreibt zwölf Szenarien, wie die Welt in weiter Zukunft aussehen könnte. Denkbare Szenarien sind beispielsweise eine große Flut, einer Virus-Pandemie oder eine Stadt unter Sauerstoffkuppeln, auch eine autofreie Welt ist dabei. Die Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien etwa empfiehlt das Buch sehr und erinnert, dass Szenarien wie die Pandemie bereits Realität geworden sind: "Auch das regt an, darüber nachzudenken, ob wir nicht schon mitten im Weltuntergang drin sind und was das für unsere Zukunft und unsere Gegenwart bedeutet."

Seit am 22. November über das Buch auf apolut.de berichtet wurde, tauchten auf Online-Plattformen und in Kanälen wie Telegram und X massiv negative Kommentare und persönliche Beleidigungen auf. "Seitdem erhalten auch wir im Verlag immer wieder E-Mails, in denen wir beschimpft werden", sagt Verlegerin Monika Osberghaus. Vorläufiger Höhepunkt sei ein Videobeitrag bei Compact TV am 13. Dezember gewesen, wo "neurechte Theorien verbreitet und mit Fantasien über unser Buch und die Autorin verknüpft wurden. Die tatsächlichen Inhalte des Buches und seine Aussage werden dabei weitgehend ignoriert; vermutlich wurde das Buch nicht einmal in Gänze zur Kenntnis genommen", sagt Osberghaus.

Kinder brauchen Bücher mit Gesprächsanlässen

Gegen den Hauptvorwurf, dass das Bilderbuch Kindern Angst mache, verwehrt sich Osberghaus entschieden: "Die Wahrheit ist: Dieses Buch macht eher Erwachsenen Angst als Kindern. Für die ist es nämlich ein wahrer Gesprächs- und Fantasie-Anknipser. Es öffnet Möglichkeiten, es zeigt, dass wir unsere Zukunft selbst in der Hand haben, und es stellt Bild für Bild die Frage: Wie hättest du es denn gerne? Was könnte passieren? Was wäre schlimm, was wäre toll?"

Kindern entgehe ja nicht, was in der Welt los sei. "Wir finden, dass Kinder auch Bücher brauchen, die das für sie aufnehmen, Denkschranken öffnen und Gesprächsanlässe dazu geben – dies ist solch ein Buch." Der Verlag habe in den vergangenen zwei Jahren viel positives Feedback bekommen, etwa von Lehrerinnen, die in dem Buch gute Anknüpfungspunkte für den Grundschul-Sachunterricht finden. Kinder zögen es oft aus dem Regal und redeten angeregt darüber.

"Offenbar gibt es keine Hemmungen mehr"

Autorin des von Annabelle von Sperber illustrierten Buchs ist Andrea Paluch, die schon viele Kinder- und Jugendbücher geschrieben hat. Sie ist seit 27 Jahren verheiratet mit Robert Habeck, dem jetzigen Bundeswirtschaftsminister. In den Hassreden über das Buch werden sehr oft wirre Bezüge zur Politik der Bundesregierung und von Bündnis90/Die Grünen hergestellt, sie stehen im Fokus der geposteten Beiträge. Damit hängt zusammen, dass das Buch erst zwei Jahre nach Erscheinen von Hate Speech überzogen wird. "Manche Kinderbücher sind wie Seismographen. Erwachsene reagieren auf sie besonders empfindlich, wenn sie Wahrheiten enthalten oder Fragen stellen, die sie lieber von Kindern fernhalten wollen – vielleicht auch, weil sie sich ertappt fühlen?", sagt Osberghaus. "Wenn die Autorin dann auch noch die Frau eines der im rechten Milieu meistgehassten Politikers ist, gibt es offenbar keine Hemmungen mehr."