Der Formulierung "von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen“ im Koalitionsvertrag hätte man die Entscheidung, wer Bundesbeauftragten für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt wird, bereits ablesen können, meint Knut Cordsen im Bayrischen Rundfunk. "Das einzige, was man an dieser Entscheidung bedauern wird, ist, dass Rio Reiser sie nicht mehr miterleben durfte", so Cordsen. Und weiter: "Mit dieser Personalie ist ein überfälliger Paradigmenwechsel in der Kulturpolitik verbunden. Es ist die schlichte Anerkennung der Tatsache, dass die Kultur dieses Landes weitaus mehr ist als die mitunter arg hohl tönende Repräsentationskultur, als Grüner Hügel, Humboldt-Forum und Berlinale."
Ein Leitthema von Claudia Roths Arbeit als Politikerin sei ihr Einsatz für die Rechte von Frauen und Homosexuellen und gegen Diskriminierung und Hassrede, so Jörg Häntzschel in der "Süddeutschen Zeitung". Sie werde auch weit über die Partei hinaus geschätzt und habe als Bundestagsvizepräsidentin mit ihrer verbindlichen aber resoluten Art eine hervorragende Figur gemacht. "Weniger klar ist, was sie nach den acht luxurierenden Grütters-Jahren in der deutschen Kulturpolitik verändern wird. An Durchsetzungskraft dürfte sie Grütters jedenfalls kaum nachstehen", so Häntzschel.
Sie sei "die Hassfigur aller Verklemmten in Deutschland", heißt es in der "Welt". Was ihr der Koalitionsvertrag aufgebe, sei "nichts weniger als ein ordentliches Durchschütteln und Durchlüften des unter ihrer Vorgängerin Monika Grütters allzu kuschelig geworden Clubs der Kulturschaffenden und -verwaltenden", schreibt Alan Posener. Laut Koalitionsvertrag soll die Kulturförderung im Hinblick darauf evaluiert werden, ob sie überhaupt zur „kulturellen Bildung“ beitrage, was man laut Posener "mit Fug und Recht bestreiten" könne. Vorrangig sei die angekündigte Novelle des Filmförderungsgesetzes, "die hoffentlich ein Ende der Praxis bringen werde, bei der sich Regisseure und Produzenten gegenseitig Gelder zuschieben, um Filme zu produzieren, die niemand sehen will".
Die designierte Kulturstaatsministerin werde sich auch "um die Dauerbaustellen ihrer Vorgängerin kümmern müssen", heißt es in der Deutschen Welle; genannt wird hier die Reform des Urheberrechts, die Rückgabe kolonialer Raubkunst und die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Nicht weniger drängend sei die Situation freier Kunstschaffender und Kreativer: "Hier plant die Koalition weitreichende Reformen. Förderung soll es nur noch bei Einhaltung bestimmter Mindesthonorare geben, die Künstlersozialkasse, die Sozialversicherung von Kultur- und Medienschaffenden, möchte man finanziell stärken und die Zuverdienstgrenze aus nicht künstlerischer Arbeit anheben."
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagt zur Wahl von Claudia Roth zur Kulturministerin: „Bündnis 90/Die Grünen haben zugegriffen und wollen in den kommenden vier Jahren die Bundeskulturpolitik gestalten. Mit Claudia Roth wird ein Politikprofi dieses wichtige politische Amt übernehmen. Als Kulturstaatsministerin im Kanzleramt untersteht sie direkt dem zukünftigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Für eine erfolgreiche Kulturpolitik ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Scholz und Roth essenziell. Wir sind gespannt wie Claudia Roth ihr Amt führen wird und freuen uns auf die Zusammenarbeit.“