Andreas Platthaus, "FAZ":
Einiges sei erwartbar gewesen, etwa die Nominierung von Olivia Wenzel mit ihrem Debütroman, schreibt Andreas Platthaus in der "FAZ": "Da kommt alles zusammen, was derzeit identitätspolitisch en vogue ist: autobiographisches Schreiben, schwarze Selbstbewusstwerdung, ostdeutsche Transformation, Trump, Rechtsradikalismus. Das Ganze knapp und dennoch zeithistorisch ausgreifend." Durch "Prominenz übliche Verdächtige auf den Sieg" sind für Platthaus Robert Seethaler, Thomas Hettche, Bov Bjerg und Frank Witzel. Besondere Qualität attestiert der Kritiker den Romanen von Anne Weber und Christine Wunnicke. "Und von den weniger überzeugenden Romanen des Jahres sind leider auch noch welche dabei", so Platthaus.
"Frankfurter Rundschau":
Da es der "flaue Künstlerroman" Der letzte Satz von Robert Seethaler auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat, "stellen sich dann doch wieder Fragen wie diese: An welchen Stellen der Diskussion blieben eigentlich auf ihre Art jeweils extrem gegenwärtige Romane wie Thorsten Nagelschmidts Arbeit oder Anna Katharina Hahns Aus und davon zurück? Wollte der eine oder die andere nicht in den Wettbewerb gehen? Und was genau wird noch gleich gesucht, wenn es um den besten Roman des Jahres geht?", heißt es in der "Frankfurter Rundschau".
Gerrit Bartels, "Tagesspiegel":
In den mittleren Jahren des seit 2006 verliehenen Deutschen Buchpreises habe es häufig Klagen darüber gegeben, dass die jeweils nominierten Titel zu viel Aufmerksamkeit beanspruchen und den Buchmarkt im Segment der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur dominieren würden, so Gerrit Bertels im "Tagesspiegel". "Inzwischen ist es aber so, dass zumindest auf der Longlist dieses Preises zumeist so viele überraschende Titel stehen, dass es nur heißen kann: Ach, wie reich und vielfältig die deutschsprachige Literatur doch ist! Was gilt es nicht alles noch zu entdecken, auch an Unbekanntem", so Bartels.
Dirk Knipphals, "taz":
Von einem Generationswechsel in der deutschsprachigen Literaturkritik zu sprechen sei zwar schon deshalb schwierig, weil "sich eindeutig identifizierbare Generationen längst aufgelöst haben; es gibt sie einfach nicht mehr, die in sich festgefügten Kohorten graurückiger Positionsbesetzer einerseits und mit den Hufen scharrender Nachwuchskräften andererseits", meint Dirk Knipphals in der "taz". "Aber etwas von Coolness und Frische strahlt die diesjährige Jury tatsächlich aus. Keine sogenannten alten Hasen sind darunter. Es gibt Bloggerinnen und Twitterer. Es gibt auch eine Ausstrahlung, die nicht nach pflichtschuldigem Dienst an der Literaturvermittlung aussieht, sondern nach dem Willen, Texte zu entdecken und sich beim Lesen bloß nicht zu langweilen", so sein Eindruck. Das Fazit zur Longlist von Knipphals: "Und tatsächlich scheint mir, wenn man jetzt auf die Liste guckt, aus den Jurydiskussionen eine ziemlich souveräne Mischung unterschiedlicher Schreibansätze herausgekommen zu sein. Erwartete Namen, Überraschungen, alte Bekannte, schöne Debüts und Autor*innen, bei denen auch Literaturredakteure erst noch einmal nachgoogeln müssen, quer durcheinander."
Stefan Kister, "Stuttgarter Zeitung":
Natürlich vermisse immer jeder irgendetwas, stellt Stefan Kister in der "Süddeutschen Zeitung" fest. Und dann beginne das große Zählen nach Geschlechter- und Verlagsproporz, Diversität und dem Verhältnis von literarischem Anspruch und Konsumierbarkeit. "Als wäre gute Literatur der korrekte Durchschnitt all jener Kriterien, die eine Gesellschaft zum Ausgleich zu bringen hat – und nicht eher deren Provokation. Das fein abgewogene Mobile, das die Jury für dieses Jahr aus den 20 Titeln der sogenannten Longlist zusammengebastelt hat, kreist schwerelos über allen Einseitigkeiten", so Kister.
Alexander Wasner, SWR:
"Diese Liste ist eine sehr freundliche Einladung zum Lesen und zum Gespräch. Und sie ist virenfrei, soweit ich das jetzt testen konnte: Es gibt keinen Pandemietitel", so Alexander Wasner für den SWR. Ihm gefällt, dass die Schauplätze der nominierten Bücher überwiegend in Deutschland angesiedelt sind: "Dafür spielen die meisten Titel in Deutschland, wie unser Urlaub, im Osten, Westen, Norden, Süden. Die Liste ist wichtig. In diesem Jahr wichtiger als früher. Denn wer weiß, was für einen Herbst wir vor uns haben", meint Wasner.